„Ich bin ,durchraßt‘, na und?“

■ Saskia Soeria Santoso, in Indonesien geborene Holländerin, lebt jetzt in Bayern und kandidiert auf der Liste von Bündnis 90/ Grüne für das Europäische Parlament

„Das Erschreckende in diesem Land“, sagt Saskia Soeria Santoso zu Beginn unseres Gesprächs, „sind weniger die Nazis mit ihren feigen Anschlägen und die Anhänger der rechtsradikalen Parteien wie die „Republikaner“. Mich erschreckt mehr, daß hier auf der einen Seite in der Gesellschaft so wenig Sensibilität für Ungleichbehandlung existiert und daß auf der anderen Seite die Nichtdeutschen es fast als selbstverständlich hinnehmen, weniger Rechte zu haben.“ Ihre Kandidatur für das Europaparlament verstehe sie – trotz der geringen Aussicht, als 15. auf der Liste von Bündnis 90/ Die Grünen nach Straßburg entsandt zu werden – deshalb als Ermunterung und Aufforderung an die MigrantInnen, für ihre Rechte einzustehen und sich zu engagieren.

„Fuchsteufelswild“ könne sie werden, wenn sie sehe, wie sehr viele AusländerInnen sich ducken und Angst haben, sich zurückziehen und schweigen. Apropos Schweigen: „Selbst innerhalb der Grünen befindet man sich nicht automatisch im Paradies der Multikulti-Seligen. Überall müssen wir immer wieder daran erinnern, daß es uns auch noch gibt. „Wo sind wir? Wie nehmt ihr uns wahr?“ Diese Fragen kann man nicht oft genug stellen, sagt Frau Santoso und erzählt zwar kein dramatisches, aber ein für das in der Gesellschaft tradierte Übergehen von Ausländerinteressen symptomatisches Beispiel aus ihrer eigenen Partei. Da wollten Parteifreunde und Fraktionsmitglieder der Grünen im bayerischen Landtag eine Pressekonferenz zu den neuen Bestimmungen des Euro-Wahlgesetzes organisieren. Sie rief den Referenten des Abgeordneten Goppel an und erkundigte sich, ob sie auch die ausländischen Pressevertreter eingeladen hätten. Die Antwort war: Nein. „Da wollten sie die Unionsbürger erreichen und luden nur Deutsche ein!“ Saskia Santoso stellte ihren Presseverteiler zur Verfügung, und die Sache war erledigt. Das sei kein böser Wille, entschuldigt sie ihre Kollegen, aber eben böse Gewohnheit.

Der in Indonesien geborenen 47jährigen Holländerin ist das Gefühl der Angst nicht fremd. Sie gesteht, daß sie einen „Bammel“ davor hat, als Kandidatin für das europäische Parlament mehr in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Sie tue sich nicht ganz leicht damit, denn sie sehe, „eben deutlich nicht wie eine Holländerin aus“. Als im letzten Winter Neonazis Briefbomben an Ausländerinitiativen und Politiker verschickten, wurde die Angst für sie konkret. Als Referentin für Einwanderungsfragen der bayerischen Landtagsabgeordneten Sophie Rieger wurde ihr geraten, in Zukunft mit der Post vorsichtiger umzugehen. Seitdem, sagt sie, frage sie sich schon, ob sie in diesem Land alt werden wolle. Aber es gehe ja um die Sache „und nicht um meine Angst“.

Würde sie am 12. Juni gewählt werden, „was unrealistisch ist“, müßte ihre ganze Energie zwangsläufig der Verbesserung der Situation der sogenannten Drittstaatler in der EU gelten. Ihr politischer Kampf ziele auf die politische und soziale Gleichstellung der Drittstaatler mit den Unionsbürgern, „das heißt unter anderem Ausweitung des kommunalen Wahlrechts und des Rechts auf Freizügigkeit für alle in der EU gemeldeten Ausländer“. Saskia Soeria Santoso kam nach Deutschland als „Heiratsmigrantin“ (Santoso). Sie hatte bis in die Mitte der achtziger Jahre als gelernte Ballettänzerin Engagements in Deutschland und Polen. In Nürnberg lernte sie 1985 ihren späteren Mann kennen und blieb in Deutschland. Über ihn fand sie den Zugang zu Ausländerinitiativen und multikulturellen Vereinen.

Seit zwei Jahren ist sie Mitglied im Nürnberger Ausländerbeirat und neuerdings auch stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Bayerns (AGABY). Über ihren biographischen Hintergrund berichtet sie bissig („Der Stoiber würde sagen, ich bin „durchraßt“), sie sei ein Kolonialprodukt. Die Familie ihrer Mutter sei schon vor 200 Jahren von den Niederlanden nach Indonesien gezogen. Als ihr Vater politisch verfolgt wurde, flüchtete sie mit ihm zurück nach Europa. Frau Santoso: „Migration kommt nie aus der Luft, sie hat oft auch mit Unterjochungen in der Geschichte zu tun.“ Benamino di Carof