Legal, illegal – ist Bayern scheißegal

■ Bayern will die ersten Kurden abschieben / Bundesjustizministerium: Das ist rechtswidrig

Bonn/Ankara (dpa/AFP) – Als erstes Bundesland will Bayern Kurden ausweisen, denen eine Beteiligung an den gewalttätigen Protesten der vergangenen Wochen vorgeworfen wird. Er begrüße die Tatsache, daß das zuständige Augsburger Ausländeramt am Donnerstag erste Ausweisungsbescheide erlassen habe, erklärte Innenminister Günther Beckstein (CSU) gestern in München. Falls die Betroffenen den Bescheiden nicht nachkommen, sollen sie in die Türkei abgeschoben werden. Nach Auskunft des bayerischen Justizsprechers Gerhard Zierl drohe 13 Kurden die Abschiebung, die wegen einer Autobahnblockade bei Augsburg in Haft sind. Die Grünen im bayerischen Landtag erklärten, daß mit den Abschiebungen noch während der Osterfeiertage zu rechnen sei. Die Vorbereitungen liefen bereits auf Hochtouren. Die Grünen beriefen sich auf einen Mitarbeiter des Innenministeriums, der sich wegen „schwerster rechtlicher Bedenken“ an sie gewandt habe.

Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums bezeichnete die Abschiebung als rechtswidrig. Er könne sich nicht vorstellen, daß die bayerische Regierung gegen die klare Gesetzeslage sowie die eindeutigen völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands verstoße. Beckstein verwahrte sich gegen den Vorwurf, diese Maßnahme verstoße gegen geltendes Recht und gegen die Verfassung. „Wer den Frieden des Landes bricht, darf sich nicht auf den Schutz unseres Landes berufen.“ Abgeschobene Kurden hätten in der Türkei „keine unangemessene Behandlung“ oder gar die Todesstrafe zu befürchten. Nach deutschem Recht darf kein Ausländer in sein Heimatland abgeschoben werden, wenn ihm dort Todesstrafe, Folter oder unmenschliche Behandlung droht. Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) will durch ein bilaterales Abkommen die erforderliche Rechtssicherheit erst schaffen. Hingegen mahnte Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) zur Vorsicht bei Plänen für eine Ausweisung kurdischer Straftäter in die Türkei. „Es darf nie zu einer Ausweisung kommen, wenn auch nur die geringste Gefahr droht, daß im Einzelfall die Menschenrechte verletzt werden“, sagte Kinkel am Donnerstag. Kurdische Straftäter müßten nach deutscher Gesetzeslage verurteilt werden. Sowohl in Polizeigefängnissen als auch beim Kampf gegen die kurdische Untergrundorganisation PKK gebe es nach wie vor Menschenrechtsverletzungen in der Türkei, sagte Kinkel. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Klaus Engelhardt, erklärte: „Haß und Gewalt dürfen aber in unserem Land kein politisches Klima entstehen lassen, in dem fundamentale Rechtsgrundsätze in den Hintergrund gedrängt werden.“

In Nordrhein-Westfalen sind bislang gegen knapp 400 der rund 530 kurdischen Autobahnblockierer Strafverfahren eingeleitet worden. Nach vollständiger Auswertung der Film- und Videoaufnahmen sei mit weiteren Anzeigen zu rechnen, sagte Innenminister Herbert Schnoor (SPD). Nach Abschluß der Verfahren prüften Ausländerämter in jedem Fall die Möglichkeit zur Ausweisung und Abschiebung der Gewalttäter.

Der türkische Verteidigungsminister Mehmet Gölhan hat bestätigt, daß sein Land deutsche Waffen in der Türkei gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK einsetzen würde. „Die Militärhilfe, die wir von Deutschland erhielten, würden wir gegen die PKK einsetzen. Nicht gegen die Kurden“, sagte Gölhan. Dagegen hatte die Bundesregierung bisher erklärt, die Türkei habe zugesagt, daß deutsche Waffen nicht im Kurdenkonflikt eingesetzt würden. Seite 4