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■ Phil Minton und Veryan Weston im Kulturhaus „Peter Edel“: Der eine furzt, wenn der andere drückt

Wenn Phil Minton den Hendrix-Song „Manic Depression“ covert, kann man hören, wie einer der derzeit meistproduzierten EuropAvantGardisten zur Tradition grunzt. Soeben erschien beim Kölner veraBra-Label ein nächster Versuch, dem Hero der Ewig-Hippen zu huldigen: Christy Doran, Fredy Studer, Phil Minton, Django Bates und Amin Ali „Play The Music Of Jimi Hendrix“. Ohne Minton wäre dieses Projekt wahrscheinlich nur ein weiteres in der langen Reihe geblieben, die zeilenlos auf dem Müllberg der CD- Geschichte enden. Aber MinFoto: Mike Sweeney

ton schreckt vor nichts zurück. Er zerrt selbst noch die leicht betagte „Foxy Lady“ vom heiligen Vinylaltar und macht daraus eine Mann-fickt-Straßenköter-Story mit Animationsgebell und Ekstaseknochen. Minton bringt Musik zum Stinken – als würde er jeden Kloaufenthalt auf CD dokumentieren wollen, als wäre er das blaßgesoffene Brit-Pendant zu John Zorn, der ja ähnlich apokalyptisch die Jetztwelt mit CDs zuschüttet, als gäbe es nichts mehr nach ihm.

Unter den aktuellen Minton-CDs, die noch auf Hörer warten, findet sich auch eine knapp einstündige Rülps-Session mit Roger Turner unter dem Titel „Dada da“ (LR-Records). Eine Geräuschkulisse aus modifiziertem Drumset und „Fuck you“- Stimme, mit der Minton seine gesammelten Alltagssounds akrobatisch in die Welt der Kunst scheißt: blähend, schreiend, schnarchend, keuchend, kotzend, schlürfend und schmatzend – ganz so, wie man es wohl in Paris gern hat. Dort, wo sie ihn herzlich „la gueule“, die Schnauze, nennen.

Auf der 94er FMP-CD „State Of Volgograd – Trio Trabant A Roma“ geht es zwar etwas verhaltener zu, wenn er gegen Lindsay Cooper und Alfred 23 Harth quiekt und scharrt, aber Minton bleibt doch Minton. So auch, wenn er mit seinem Londoner Kollegen, dem Pianisten Veryan Weston, tourt, der die Musik für Derek Jarmans „Caravaggio“ komponierte. Gemeinsam führen sie heute in der Reihe „edel-jazz“ auf, was von Schubert-Liedern, von Hugo Wolf, Anton Webern, James Joyce und Eric Dolphy übrigblieb, nachdem sie deren Texte und Musik ihrer Selbstbau- Avant-Schleuder entnahmen. Christian Broecking

Heute, um 21 Uhr, im Kulturhaus „Peter Edel“, Berliner Allee 125, Weißensee.

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