Kurden: Abschiebung aufgeschoben

■ Becksteins Rückzieher: Keine schnellen Abschiebungen in die Türkei

Berlin (taz/AP) – Die bayerischen Behörden blasen bei der geplanten Abschiebung von Kurden in die Türkei zum Rückzug. „Eine Abschiebung ist derzeit nicht aktuell“, so Willi Reissner, Ordnungsreferent der Stadt Augsburg, wo die Verfahren anhängig sind. Bayerns Innenminister Günther Beckstein verteidigte gestern zwar noch die Ausweisungsbescheide, ließ jedoch unter dem Eindruck flächendeckender Proteste erste Zweifel am bayerischen Kurs erkennen. „Selbstverständlich darf niemand in die Osttürkei gezwungen werden“, sagte Beckstein. Ein Rauswurf von straffälligen Kurden sei nur in die Westtürkei möglich, „wo die Verhältnisse wesentlich geordneter“ seien.

Zugleich kündigte er weitere Ausweisungen an. „In jedem möglichen Fall“ würden weitere Ausweisungsbescheide erlassen, sagte der CSU-Politiker. In Bayern kämen 20 Kurden für Ausweisungen in Frage, im Bundesgebiet insgesamt etwa 500. Dem Innenminister zufolge werde sich Bayern nicht allein auf die Garantien des türkischen Botschafters verlassen, nicht zu foltern und nicht die Todesstrafe zu verhängen. Dies solle durch Einschaltung eines Vertrauensanwalts in der Türkei oder seriöse Menschenrechtsorganisationen sichergestellt werden. Allerdings dürfte sich kaum eine „seriöse Menschenrechtsorganisation“ finden, die sich zum Büttel der Abschiebungen machen läßt.

Bundesjustizministerin Leutheusser- Schnarrenberger warf Beckstein vor, er widerspreche sich selbst: Einerseits sehe er keine Abschiebungshindernisse, zugleich habe er aber offensichtlich selbst Zweifel, ob die Menschenrechte in der Türkei eingehalten würden. Das zeige sich schon daran, daß er die Abschiebung in die Westtürkei vorschlage.

Außenminister Kinkel zog unterdessen die Fortsetzung der deutschen Waffenlieferungen in die Türkei in Zweifel. „Man wird jetzt wahrscheinlich wieder erneut darüber nachdenken müssen, ob wir die Waffenlieferungen aufrechterhalten“, sagte er gestern angesichts von Augenzeugenberichten über den Einsatz deutscher Waffen gegen die kurdische Minderheit. Allerdings müsse er erst „konkretes Beweismaterial“ haben. klh

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