EU-Bürger schreiten am 12. Juni zur Wahl

■ Landeswahlleiter informiert / Info-Postkarten sind jedoch nur in Deutsch erhältlich / Frankfurt a.M.ist da weiter / 43.000 Unionsbürger dürfen in Berlin wählen

Die Wahl zum Europäischen Parlament am 12. Juni 1994 ist für Berlin gleich eine doppelte Premiere: Zum einen wählen die Berlinerinnen und Berliner ihre Abgeordneten erstmalig direkt. Bei der letzten Europawahl 1989 wurden die Westberliner Europaparlamentarier noch vom Abgeordnetenhaus bestimmt. Für Berlin galt damals noch der Viermächtestatus.

Zum anderen können die 43.000 in Berlin lebenden EU-Bürger zum ersten Mal die künftige Zusammensetzung des Straßburger Parlaments mitbestimmen. Das heißt: Engländer, die in Großbritanien die Labour Party gewählt hätten, geben ihre Stimme in Deutschland für die SPD ab.

Jeder EU-Bürger, der seit dem 12. März 1994 in Deutschland lebt und das 18. Lebensjahr vollendet hat, kann sich in das Wählerverzeichnis eintragen lassen. Dazu muß er bis zum 9. Mai – bis 16 Uhr – einen Antrag bei seinem Bezirkswahlamt stellen, um als Wähler registriert zu werden. Darüber hinaus können EU-Bürger aus Spanien, Portugal oder einem anderen EU-Staat auch weiterhin Kandidaten wählen, die in ihrem Herkunftsland aufgestellt wurden. Für griechische und italienische Staatsbürger werden in den jeweiligen Konsulaten in Berlin wie bei den EU-Wahlen 1979, 1984 und 1989 Wahllokale eingerichtet.

Alle 43.000 EU-Bürger in Berlin werden mit einer „Info-Postkarte“ über die neue Wahlmöglichkeit informiert. Jeder Unionsbürger muß mit einer eidesstattlichen Erklärung versichern, daß er an der Wahl zum Europaparlament nicht in einem anderen EU- Migtgliedstaat teilnimmt. Wer hier einen Antrag stellt, wird aus dem Wählerverzeichnis seines Herkunftslandes automatisch gestrichen. „Es kann nicht sein, daß jemand hier und in seinem Heimatland wählt“, sagte gestern Landeswahlleiter Günther Appel. Zwar leistet sich Berlin den Luxus, jeden in der Stadt lebenden EU-Bürger persönlich anzuschreiben, aber die „Info-Postkarte“ sowie das Antragsformular sind in deutscher Sprache abgefaßt.

Die Zeit zwischen der Verabschiedung des Europawahlgesetzes und der Wahl am 12. Juni sei zu kurz gewesen, um die Formulare mehrsprachig abzufassen. „Wir gehen davon aus, daß die Wahlberechtigten, die hier leben, auch die Formulare lesen können“, sagte Appel.

Zwar ist das Europawahlgesetz tatsächlich sehr spät von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden, doch in Frankfurt am Main hat man es trotzdem geschafft: Dort wurden alle 38.000 EU-Bürger in ihrer Muttersprache über die Wahl informiert. Außerdem wurden Informationsveranstaltungen mit Interessengruppen organisiert. Die Broschüren hat der Leiter des Frankfurter Wahlamtes, Oskar Rhode, sogar dem Deutschen Städtetag zur Verteilung an andere Städte angeboten: „Das ist ein Service unserer Stadt. Das Angebot haben wir Berlin auch unterbreitet.“ Rüdiger Soldt