■ Das Portrait
: Lourdes Castro Garcia

Wenn die 28jährige Rechtsanwältin vor Gericht auftritt, sieht sie nur sich selbst und ihren Mandanten. Staatsanwalt, Richter und Zeugen bekommt Lourdes Castro Garcia nicht zu Gesicht, noch weiß sie ihre Namen. Mit dem inhaftierten Guerilla- Führer Francisco Galán, ihrem Mandanten, sitzt sie in einer verspiegelten Kabine; die Stimme ihrer Prozeßgegner hören sie über einen Lautsprecher. Verzerrt, schnarrend, unkenntlich gemacht. „Wie Donald Duck“ klingt das, sagt Lourdes und ringt sich ein Lächeln ab.

Als Rechtsanwältin der kolumbianischen Menschenrechtsorganisation „Minga“ sieht die kleine Frau mit dem Holzkreuz an der Halskette die Kehrseite der lateinamerikanischen „Demokratisierung“. Etwa zehn Menschen sterben jeden Tag in Kolumbien als Opfer politischer Gewalt, 20.000 in den letzten acht Jahren. Alle 48 Stunden wird jemand als „verschwunden“ gemeldet. Die Regierung macht die Guerilla verantwortlich, Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international (ai) wissen es besser. Der Großteil der Morde, sagt ai, gehe auf das Konto der Armee und der Paramilitärs.

In Kolumbien ist das Leben der Anwältin bedroht Foto: Elke Krüger

Als Amnesty am 18. März in Bogotá eine große Kampagne gegen die Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien startete, war das für Lourdes Castro Garcia ein schwarzer Tag. Am gleichen Tag stand ihr Name in der größten regierungsnahen Zeitung El Tiempo, erfuhr die Rechtsanwältin, die sich derzeit in Europa aufhält. Und was da alles stand. Eine Verbindungsfrau zwischen Guerilla und Drogenhandel sei sie, und als kriminelle Drahtzieherin an der Entführung eines Industriellen beteiligt. Damit ist sie praktisch vogelfrei, fürchtet sie.

Sie kennt die Personen nicht, mit denen sie „Kontakte“ halten soll. Überrascht ist sie dennoch nicht. „Wir haben das kommen sehen“, sagt sie mit müder Stimme. „Es ist die normale Strategie der Regierung, Kritiker zu kriminalisieren.“ Nicht einmal die Angst ist neu. In Bogotá wacht sie manchmal morgens auf, und dann überkommt sie dieses seltsame Gefühl, diese Frage, die sie sofort unterdrückt, ob sie am Abend noch leben wird. Ein Glück, daß sie nicht verheiratet ist, sagt sie, „sonst wäre alles noch viel schwieriger“. Aber sie geht zurück, auf jeden Fall, bald, wenn sie mehr weiß. „Man darf doch nicht aufgeben,“ sagt Lourdes Castro Garcia – und ballt die Fäuste, wie um sich selbst zu überzeugen. Bernd Pickert