Vorschlag

■ Palmakunkels Tellermiene – Schlager im Unart

Pianist Dominic Sargent markiert mit wenigen Tastensprüngen die Ruhe vor dem Sturm, dann naht sie: Das Kindfrau-Kleidchen sitzt leicht schief, der knallgrelle, große Mund ist nach allen Seiten überzeichnet, riesige Sterne verdecken beide Ohren, die dunklen Augen leuchten in einer rosaroten Umgebung. Doch all das rückt schlagartig in den Hintergrund angesichts der Frisur, Marke haariges Stilleben auf Plattenteller mit Gemüsebeilage, die über Palmakunkels Gesicht thront. Die 23jährige Anika Krump, die ihren Künstlerinnennamen aus Liebe zu den Wesen Christian Morgensterns annahm, diese Göre zwischen Rotz und Romantik, Sopranstimme und Schlagerklamotte, scheint einem Weddinger Hinterhof entsprungen und kommt doch in Wirklichkeit aus Trier. Mit 13 fand sie die Noten von Claire Waldoffs „Wladimir“ und gab diesen und andere Gassenhauer, zuerst zu Hause, später als Straßensängerin mit Akkordeon zum besten.

Das Repertoire aus Morgenstern-Texten und Hollaender- Songs, Kästner-Liedern, Brel- und Piaf-Chansons läßt stimmlich und darstellerisch sämtliche emotionalen Facetten zu. Kaum schwelgt Palmakunkel in Verliebtheiten, bricht sie auch schon wieder aus und wird wütend oder pampig, schwingt sich auf ihren Kühlschrank und schmollt und grollt. Eine Carmen-Arie mischt sie skrupellos mit der Schnulze „Roter Mund“, ihre Stimme wechselt dabei von einem ins andere Fach, aus der leidenden Spanierin mit den großen, pathetischen Gesten wird die Schmalzschleuder mit Fünfziger-Jahre-Appeal. Jeder Schritt, jedes Seufzen, jede Pause sitzt genau an der richtigen Stelle, der sichere Griff ins Kühlfach bringt die dazu passenden, sparsam eingesetzten Requisiten an den Tag. Das Telefon oder der Teller mit dem Haar in der Suppe spielen jedoch nur untergeordnete Rollen. Im Vordergrund stehen, neben der oft auf kindlich getrimmten Stimme, die clowneske Grimassierung Palmakunkels, ihre Lust auf unerwartete Wendungen und ihr Mut, das Publikum zur Not auch mehrere Minuten auf einen Fortgang des Programms warten zu lassen. Anna-Bianca Krause

Wieder am 9., 16., 23. und 30.4., 22 Uhr, Unart-Theater, Oranienstraße 163, Kreuzberg.