„Rempeln macht Spaß“

Birgit Bandelow spielt bei der Eishockey-WM in der Defensive und bei den Männern in der Landesliga  ■ Von Cornelia Heim

Berlin (taz) – Birgit Bandelow eckt an. Wieso muß sie auch mit einer 15 Kilo schweren Tasche durch die Gegend spazieren? Sperrig ist sie. Im Bus macht sich die 21jährige keine Freunde, mit ihren meterlangen Schlägern unterm Arm. Ein Schubser in die Seite, ein Stoß zwischen die Rippen. Dabei ist die Schülerin nicht zimperlich. Eigentlich mag sie harten Körpereinsatz: „Rempeln macht Spaß.“ Aber dazu gehören für sie nun einmal Schienbeinschoner und Gesichtsschutz. Keine mürrischen Fahrgäste, die ihr den Weg versperren. Andere in ihrem Bewegungsdrang blockieren, das besorgt sie schon lieber selbst. Und zwar auf dem Eis. Birgit Bandelow ist Verteidigerin. „Deutschlands Beste“, sagt Michael Bahr, der Trainer bei den Eishockey-Bundesliga-Frauen in Berlin. Deshalb spielt sie im Nationaltrikot bei der WM der Frauen in Lake Placid. Und greift, weil ihr die Bundesliga feminin nicht alles abverlangt, außerdem bei den Männern in der Landesliga an. Birgit Bandelow ist eishockeyverrückt.

Sie ist nicht nur durchs Abitur gerasselt, weil sie sich 1991 vorrangig darum kümmern mußte, daß die Nationalmannschaft bei der EM in Tschechien auf einem respektablen Platz landete, sie hat auch eine Wette verloren und läuft seit Wochen mit einer blauen Haarsträhne herum. Wenn frau zur WM fahren darf, was ist da schon eine Locke? Wo sie ohnehin soviel in den Sport investiert. Pro Saison gut 2.000 Mark, für Ausrüstung und Spesen. „Wir jobben, um spielen zu können.“ Soviel Spitzensport nötigt dem Oberboß der Profi-Boys gewaltigen Respekt ab. Ludek Bukac gentleman-like: „Frauen-Eishockey ist sehr interessant“ – lacht – „so ehrlich.“ Soll heißen, so unvorstellbar amateurhaft. So ehrlich sind die, daß man in der Geschäftsstelle des Eishockey- Bundes (DEB) nicht einmal den Namen ihres Bundestrainers kennt: „Das ist doch der Dr. Bukac.“

Fast jeden Abend steht die kleine Frau, die in zivil so brav und unauffällig daherkommt, in der unwirtlichen Erika-Hess-Halle im Wedding. Angst? Kennt sie nicht. Blaue Flecken? Kein Problem für eine, die Blue-Jeans und Sweatshirt trägt. Mittlerweile hat sich unter den gegnerischen Männern rumgesprochen, daß sich ein weibliches Wesen unter der geschlechtsneutralisierenden Montur verbirgt: „Das sieht man ja nicht auf Anhieb“, sagt der Trainer und stellt ihr damit das höchste aller zu verteilenden Komplimente aus: Sie spielt wie ein Mann.

Birgit Bandelow ist in dieser auf männlichen Attributen und Werten gebauten Eishockey-Welt etwas Besonderes. Ein Mannweib? Das Wort gefällt ihr nicht. „Wenn ich aus der Kabine gehe, kann ich wieder Frau sein wie jede andere“, sagt sie, die nie gern mit Puppen gespielt hat, sondern mit den Brüdern ganz selbstverständlich auf dem Fußballplatz heranwuchs.

Manchmal muß Birgit Bandelow, die seit acht Jahren auf dem Eis ihren Mann steht, ob der männlichen Rücksichtnahme schon schmunzeln. Sobald ein Mann nämlich wisse, mit wem er es zu tun habe, gucke er leicht verunsichert der Frau in Männerklamotten unters Visier. Ist das wirklich wahr? „Danke“, sagt sie dann, „in der Zeit mache ich mein Tor.“

2.000 der rund 40 Millionen deutschen Frauen jagen der kleinen Hartgummischeibe hinterher. Das sind läppische 0,00005 Prozent. Und so viele Nullen, daß männliche Kollegen wie Pepi Heiß (Kölner EC) ungestraft schwadronieren dürfen: „Eishockey ist nichts für Frauen.“ Josef Spychala, einer der beiden Bundestrainer weiblicherseits, ist weit davon entfernt, Eishockeyspielerinnen vermännlichen zu wollen: „Frauen werden niemals so hart und so schnell spielen können wie die Männer.“ Nein, aber: Immerhin sei heute möglich, was vor zwei Jahren noch undenkbar war – im Jargon reden, von Überzahl-Spiel und 2/1/2. Zumindest Nationalspielerinnen wüßten, was gemeint sei.

Das ewige Messen am männlichen Maß – die Sportlerinnen sind es leid. Alles Vorurteile, genauso wie die Vorstellung vom Lesben- Team in der Männersportkluft. „Das ist mir noch gar nicht aufgefallen“, sagt Birgit Bandelow konsterniert. Und Andreas Lauer, der DEB-Frauenbeauftragte, bringt die sportliche Doppelmoral auf den kritischen Punkt: „Steffi Graf muß doch auch nicht ihren Schläger einpacken, nur weil sie nicht in der Lage ist, Boris Becker zu schlagen.“