„Nicht jedes Land braucht modernste Technologie“

■ Die Slowakei will ihre einstmals hochprofitable Rüstungsindustrie wiederbeleben/ Waffen der niedrigeren Preisklasse für ärmere Länder

Auf dem Schreibtisch von Vladimir Pawlik, dem Direktor für Rüstung sowie für Umstellung auf Friedensproduktion im slowakischen Wirtschaftsministerium, stapeln sich rechts Kataloge für slowakische Traktoren und Dampfwalzen. Links liegen Preislisten für Panzer vom Typ T-72, für „Zuzana“-Haubitzen, Raketenwerfer und andere Produkte der früher hochgeschätzten slowakischen Rüstungsindustrie.

Pawlik, der seit den frühen siebziger Jahren als Ingenieur in der Waffenproduktion beschäftigt ist, sieht keinen Widerspruch in seiner Aufgabe als Chef sowohl für Rüstung als auch für Konversion. Hauptsache, die Fabriken, ihre hochspezialisierte Technologie und die Facharbeiter bekommen wieder etwas zu tun – ob sie nun Panzer oder Traktoren produzieren. Die Slowaken wissen, daß das Waffengeschäft nie mehr jene Ausmaße erreichen wird wie während des Kommunismus. Damals war die Tschechoslowakei der achtgrößte Rüstungsexporteur der Welt. „Zur Zeit verkaufen wir weder viele Panzer noch viele Traktoren“, sagt Pawlik. „Wenn wir legale Märkte in konfliktfreien Zonen finden, werden wir jedoch beides produzieren und exportieren, wie alle anderen es auch tun.“

Waffenproduktion ist ein heikles Thema. Viele Slowaken halten es für unfair, daß die internationale Gemeinschaft ausgerechnet auf die slowakische Rüstungsindustrie ein kritisches Auge wirft und das Land dadurch zur Umstellung auf die weniger lukrative Friedensproduktion gezwungen hat. Während des Wahlkampfes 1992 machte Wladimir Meciar, der erste Premierminister der Slowakei nach der Unabhängigkeit, viel Boden gut, als er versprach, die „slowakische Waffenindustrie wieder auf die Beine“ zu bringen – und den Slowaken dadurch wieder Jobs zu verschaffen.

Bis 1989 stellte die Slowakei zwei Drittel der tschechoslowakischen Rüstungsgüter her, vor allem die schweren Rüstungsgüter wie den T-72-Standardpanzer der Warschauer-Pakt-Staaten, gepanzerte Truppentransporter und Artilleriegerät. In den achtziger Jahren machte das Rüstungsgeschäft zwischen einem Viertel und der Hälfte des gesamten Außenhandels der CSSR aus. Obwohl der Löwenanteil der Waffen in den Ostblock verkauft wurde, blühte das Waffengeschäft auch mit Staaten wie Libyen, Syrien und dem Irak.

1989 riß es jedoch schlagartig ab, als Präsident Vaclav Havel ein Moratorium für Rüstungsexporte verkündete. Obwohl der Waffenexport nie ganz eingestellt wurde – so gingen Rüstungsgüter nach Syrien, Pakistan, Brasilien und Kroatien –, fiel die tschechoslowakische Waffenindustrie in ein tiefes Loch. Im Jahr 1992 war die Waffenproduktion im Vergleich zum Rekordjahr 1988 um neunzig Prozent gefallen.

Seit der Teilung der Tschechoslowakei waren es aber vor allem die Tschechen, die mit ihrer High- Tech-Rüstung Profit gemacht haben. „Die Tschechen haben ein sauberes Image, weil sie saubere Waffen verkaufen, wie zum Beispiel Übungsflugzeuge und elektronisches Gerät“, sagt Yahia Said, der Konversionsexperte bei der „Helsinki Citizens Assembly“ in Prag. „Dabei haben sie die ganze Zeit mehr als die Slowakei exportiert.“ Vor kurzem ist Präsident Havel auf einer Asienreise von Rüstungsproduzenten begleitet worden, die unterwegs mit Indien ein Geschäft über den Verkauf von 100 Kampfflugzeugen abschlossen.

Slowakische Wirtschaftsexperten fordern, daß die militärische Produktion auf 30 bis 40 Prozent ihrer früheren Kapazität gebracht werden solle. Priorität soll die slowakische Armee haben, doch wo es möglich ist und internationale Regelungen nicht dagegen sprechen, will man auch im Ausland Käufer für Waffen suchen. „Jedes Land benötigt Verteidigungsausrüstungen, und unsere Waffen sind preislich genau richtig für ärmere Länder“, sagt Pawlik. Denn: „Nicht jedes Land braucht die modernste Technologie.“ Paul Hockenos, Bratislava

Der Autor ist Osteuropa-Korrespondent der US-Wochenzeitschrift In These Times.