„In Bayern werden alle Probleme gelöst“

An der Basis der CSU brodelt es mächtig, doch in der Not hält man der Partei die Treue / Die Anschuldigungen gegen FJS schweißen das Parteivolk zusammen  ■ Aus Starnberg Gerhard Pfeil

Rauchschwaden umwölken die Mächtigen von einst. Franz Josef Strauß grinst verschmitzt von einem Photo durch den Nebel, Max Streibl lächelt gnädig auf einem Porträt gleich daneben, und es scheint, als blickten die ehemaligen Ministerpräsidenten wohlmeinend hinab auf den Mann, der da hinter seinem Schreibtisch sitzt, Pfeifenrauch in den Raum pustet und redet. Denn fast könnte man meinen, den Geist der beiden großen CSU-Politiker durch den Dunst zu vernehmen, wenn Klaus Peter Arnold sagt, „Teile der Presse wollen die CSU kaputtmachen“. Oder wenn er wettert, böse Mächte gedenken, „den letzten konservativen Block der Bundesrepublik“ zu kippen. Oder wenn er raunt, es werde nicht mehr über Leistungen gesprochen, sondern ausschließlich über Fehltritte. „Aber es ist eben nur interessant, Leute anzugreifen, die an der Regierung sind“, höhnt Arnold, stellvertretender Starnberger Landrat. Und dann meint er: „In Bayern werden alle anstehenden Probleme gelöst.“

Nun gibt es allerdings eine ganze Menge Menschen im Freistaat, die sich gar nicht mehr so sicher sind, ob die christsozialen Gralshüter über die Welt der Wälder und Auen mit dem richtigen Maß ans Werk gehen. Ein stinkender Odem hat sich über das Land gelegt, ausgehaucht von „Bäderkönig“ Eduard Zwick. 1982 wegen einer Steuerschuld von 71 Millionen Mark in die Schweiz entfleucht und bis 1987 per Haftbefehl gesucht, enthüllte der jüngst allerlei Schauriges über den CSU-Parteifilz. Den willfährigen Geldesel habe er gemacht, sagt Zwick, dessen Sohn wegen Verdachts der „Beihilfe zur Steuerhinterziehung“ in Untersuchungshaft sitzt. Dem derzeitigen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu ließ Zwick angeblich 10.000 Mark für Prozeßkosten zukommen. Ein stattliches Sümmchen habe er bezahlt, um seinen Spezl Strauß zu hofieren, der, laut Zwick, später sagenhaft tatkräftig bei der mittlerweile aufgehobenen Niederschlagung der Steuerschuld mithalf. In die „Zwick-Mühle“ (SZ) geraten ist auch Finanzminister Georg von Waldenfels, weil er sich hinstellt und behauptet, er habe von alledem nichts gewußt, weil er dereinst erst zwei Wochen im Amt weilte.

So lodert es im Bayernland. Die Glutreste durch die Affären um Peter Gauweiler und Gerold Tandler haben wieder neuen Brennstoff erhalten. Die Parteispitze der CSU wankt von einer Ohnmacht in die nächste. Vor allem aber die CSU-Basis auf dem Land taumelt mächtig irritiert daher. Und hört man das Schimpfen von Arnold über die Presse, dann mutet das ein bißchen an wie die Befreiungsschläge von einem, der es einfach verlernt hat, im Gegenwind zu stehen. Und hört man den Spott des Anwaltes über die bayerische SPD („Wenn die glaubt, die CSU-Basis bröckelt, dann sind das LSD-Träume der Frau Schmidt“), dann klingt das ein bißchen wie das Pfeifen im Wald.

Irgendwo zwischen Verunsicherung und Kampfeslust befindet sich das CSU-Volk im Frühling 1994, gut fünf Monate vor der Landtagswahl. Der der Partie teilhaftige Korpsgeist indes funktioniert noch prima, wenn Ingrid Frömming, die CSU-Kreisvorsitzende aus Starnberg, sagt, „wir lassen uns das Lebenswerk von Franz Josef Strauß nicht kaputtmachen“. Oder: „Bayern und die CSU und bayerischer Erfolg und die CSU – das ist eins“. Das Hintendreintraben des Fußvolkes scheint allerdings mancherorts ein Ende gefunden zu haben. Und vielleicht war es ein kleines Zeichen des Aufbegehrens, das sie draußen in Starnberg gesetzt haben, als sie jüngst in der Gemeinde Wörthsee auf die Straße gingen, Grüne, Sozialdemokraten, aber eben auch die CSU. Seite an Seite stritten sie für das Bleiberecht einer kurdischen Familie, die zurückgeschickt werden sollte in die Türkei. Und vielleicht war es auch ein Zeichen, als sie draußen bei der CSU in Starnberg einen nominiert haben für die Landtagswahl, der gemeinhin als Nestbeschmutzer verschrieen ist.

„Die Partei gehört der Basis“, hat Peter Gröber immer gesagt. Auch damals, als er bei einer Bezirksdelegiertenversammlung in Weilheim aufstand und Max Streibl zurief, er möge doch bitteschön auf eine Kandidatur für den Bezirksvorstand verzichten, weil man Leute benötige, die „politisch noch etwas bewegen wollen“. Bittere Schelte luden sie seinerzeit über Gröber ab. Widersacher Arnold unterstellte dem Arzt und Ortsvorsitzenden aus Berg einen „miesen Charakter“, weil er gewagt hatte, an den Monumenten der Partei zu meißeln. Trotzdem haben sie Gröber im ersten Wahlgang aufgestellt. Und mit Wonne vernahm er unlängst, was Alois Glück, der Vorsitzende der CSU- Landtagsfraktion, im erzkonservativen Münchner Merkur zur Zwick-Affäre publizierte. Von „Fehlverhalten“ war da ungewohnt offen zu lesen, von „kritikwürdigen Vorgängen“ gar. Seither sieht sich Gröber als Vordenker einer neuen Geisteshaltung bei der CSU. Die Basis, das glaubt der 49jährige ganz fest, sei durch die Affären wachgerüttelt worden. Die Tage, da sie sich der Parteispitze ohnmächtig füge, seien vorbei. „Die Zeit ist reif“, sagt Gröber, „für eine Revolution von unten“. Man benötige wieder Leute, sagt er, und wedelt begeistert mit den Händen, „die so reden, daß man sie draußen versteht.“

Franz Josef Strauß haben sie verstanden. Und sie verzeihen ihm in Bayern allerlei. Die momentane Demontage des Rigoros-Bajuwaren werde nach hinten losgehen. Wie eine Gotteslästerung der gröbsten Form schlugen die Enthüllungen Zwicks ein. Gauweilers Sturz habe man hingenommen, sagt Frömming, Tandlers Abgang wurde gar unterstützt. Doch was derzeit geschehe, treffe die Bayern „in ein trauriges Herz“. Und löse eine Gegenreaktion aus, die Frömming so beschreibt: „Die Stimmung ist: Jetzt erst recht.“

Der große Schulterschluß also. Die Basis, daran glauben alle drei Politiker aus Starnberg, werde dafür sorgen, daß der CSU-Karren den Amigo-Morast, ohne größere Schäden davonzutragen, passieren werde. Denn siehe: „Es gibt keine Alternative zur CSU“, sagt Frömming. „Scharping wird nach der Wahl in den Zügeln seiner linken Mitarbeiter sein“, keift Arnold, der Hardliner. „Wer glaubt, daß sich durch unsere Krise das Parteiprogramm der anderen verbessert, täuscht sich“, grollt Gröber, der Konservativ-Reformer. Ja, wenn es um die Macht geht, vereinen sich auch Parteigegner zum unerschütterlichen Bollwerk. Verschweißt in einem Gedanken, den der Anton Leitner von der CSU in Weßling kundtut: „Die Ruine ist immer noch gut genug.“