Riesenkirmes doch an der Leine

■ Hannover bleibt von Weltausstellung Expo 2000 nicht verschont / Hauptrisiko tragen mal wieder die Steuerzahler

Hannover (taz) – „Wir sind mit der Expo 2000 gleichsam kurz vor Toresschluß noch eingelaufen.“ So sagt es Gerd Weiberg, der Expo- Beauftragte der niedersächsischen Landesregierung. Weiberg hat fast vier Jahre lang mehr oder minder intensiv vor allem mit Bonn über die Weltausstellung verhandelt: über die Konzeption, die Verkehrsanbindung und zuletzt über die Konstruktion der Expo-Gesellschaft, über die Verteilung der finanziellen Risiken. Schon im Jahre 1990 hatte Hannover den Zuschlag für die Weltausstellung bekommen. Zur Freude der Expo-Gegner hatten sie die Bonner Parteichefs Waigel (CSU) und Otto Graf Lambsdorff (FDP) zwischenzeitlich schon halbwegs wieder abgesagt. Doch dagegen stand eine große Expo-Koalition von Helmut Kohl und Ministerpräsident Gerhard Schröder. Dieser Tage steht nun endgültig fest, daß die Hannoveraner an der Ausstellung unter dem Motto „Mensch Natur Technik“ nicht vorbeikommen. Die Expo-Verträge sind unterschriftsreif, auch der letzte Punkt, die Haftung für die erheblichen finanziellen Risiken, ist ausverhandelt.

Im Süden Hannovers links und rechts des Messeschnellweges, auf dem sich jüngst noch der Cebit- Verkehr staute, wird sich im Jahr 2000 die Ausstellung erstrecken. Als „Weltausstellung neuen Typs“ wurde die Expo einst den Bürgern und den in der Stadt und im Land mitregierenden Grünen schmackhaft gemacht; Hannover erhoffte sich von ihr einen umfassenden Ausbau des Nahverkehrsnetzes. Geplant ist nunmehr eine höchst kommerzielle Show, bestimmt von den bundesdeutschen Wirtschaftsverbänden. Auf Dauer profitieren wird von der Expo nur die hannoversche Messe AG, in deren Vorstand einst auch die Weltausstellungsidee geboren wurde. Das Messegelände soll im Zuge der Expo umfassend modernisiert, besser an den Nahverkehr angebunden werden.

Die Expo ist während der Verhandlungen ordentlich abgespeckt worden. In die Ausstellung, die ohnehin etwas kleiner als die Expo 92 in Sevilla geplant war, soll nun das gesamte hannoversche Messegelände einbezogen werden. 100 Hektar des Geländes will die Messe AG zur Verfügung stellen, nur noch weitere 70 Hektar sollen für die Expo neu erschlossen und bebaut werden. Von Investitionen in zwei Nahverkehrslinien abgesehen, ist die Ausstellung selbst auf dem Papier bislang „kostendeckend“ geplant. Insgesamt 2,9 Milliarden soll die Expo-Gesellschaft, an der auf Drängen des Bundes die Wirtschaft über ihre Verbände nun zu 20 Prozent beteiligt ist, für die Ausstellung ausgeben. Ihrem Gesellschafteranteil entsprechend, sollen die Wirtschaftsverbände allerdings nur bis zu einem Höchstbetrag von 50 Millionen Mark haften. Alle Verluste, die 250 Millionen Mark übersteigen, haben sich allein der Bund und das Land Niedersachsen zu teilen.

Inzwischen drängt die Zeit: Die Gesellschaft muß bis zum Sommer stehen, Planfeststellungsverfahren für die Verkehrsprojekte sind einzuleiten, Verträge mit der Deutsche Bahn AG über den Bau eines Fernbahnhofs müssen abgeschlossen werden. Und das Landeskabinett, in dem auf Abruf noch zwei grüne Minister sitzen, und der Rat der Stadt Hannover müssen zustimmen.

Nach der ersten Durchsicht der Verträge hat der Expo-Spezialist der Landtagsgrünen, der Abgeordnete Pico Jordan, den grünen Ministern empfohlen, im Kabinett gegen die Expo zu stimmen. Nach der jetzigen Vertragskonstruktion trage die Wirtschaft ein viel zu geringes finanzielles Risiko, sagt Jordan. Außerdem würden durch die Ausstellung die Mittel, die Niedersachsen für den Ausbau des Nahverkehrs brauche, zu Lasten des übrigen Landes auf Hannover konzentriert. Jürgen Voges