Warten auf Buddha

■ Der Regisseur Clemens Kuby über „Living Buddha“ – einen Dokumentarfilm über das Wunder der Wiedergeburt

Sieben Jahre Zeit verwendete der Regisseur Clemens Kuby auf seinen neuen Film „Living Buddha“, den er in Tibet drehte. In ihm dokumentiert er die Wiedergeburt des Buddha Karmapa, den die Tibeter als Erleuchteten in der 17. Generation verehren. Kuby will mit seinem Film sich und andere im Westen überzeugen, daß Reinkarnation keine Scharlatanerie ist. Gestern kam der Filmemacher zur Vorpremiere nach Bremen.

taz: Sieben Jahre Arbeit an einem dokumentarischen Film – wollen sie neue Maßstäbe setzen?

Kuby: Mein früherer Film, „Das alte Ladakh“, war ja der erste Dokumentarfilm, der überhaupt dick ins Kino kam. Und ich bin nicht puristisch. Ich sehe keinen Sinn im falschen Anspruch, Dokumentarfilme müßten wahr sein. Insofern arbeite ich in einem neuen Genre mit neuen Maßstäben. Natürlich inszeniere ich dabei – das ist das Wesen des Films.

Seit dem Ladakh-Film faszinierte mich der Buddhismus. Aber wenn man davon ausgeht, daß vor dem Leben nichts war und nachher das schwarze Loch ist, dann kann man sich dem Buddhismus nicht nähern. Der Gedanke der Wiedergeburt ist dabei die höchste Hürde. In meinem Film sollte es deshalb um den Übergang von einem Leben zum anderen gehen. Da sind sieben Jahre eher kurz. Ich brauchte ja einen Fall im Entwicklungsstadium. Als der Karmapa gestorben war, wußte man noch nicht, ob man ihn wieder finden würde – und wann oder wo. Da wollte ich Schritt für Schritt mitdrehen. Wie lange das dauerte, lag nicht in meiner Macht.

Mußten sie sich behutsam eindenken?

Überhaupt nicht. Es war eher dauernd hektisch. Manchmal kam ein Anruf und dann ging's los. Einmal zum Beispiel hörte ich, daß ein Brief über die Wiedergeburt gefunden wurde. Da mußte ich in Kürze ein Team zusammenkriegen, eine Genehmigung undsoweiter. Und dann ein Flugzeug erwischen und nach Sikkim fliegen – aber es war ein blinder Alarm. Wieder 60.000 Mark zum Fenster rausgeschmissen. Aber wenn man so einen Film wirklich machen will, dann muß man bereit sein, jeden Schlenker im Reinkarnationsprozess mitzumachen. Ein weiser Lama wäre da vielleicht gelassener gewesen. Aber mir wurde ja erst später erzählt, daß das Orakel von Rumtek gesagt hatte, daß man den Reinkarnierten nicht suchen braucht, bevor er sieben Jahre alt ist.

Wie sind die Leute vor Ort ihnen begegnet?

Ich habe den Tibetern gesagt: Eure Konzepte über Reinkarnation finde ich faszinierend. Die Frage ist nur, ob's wahr ist. Und wenn es wieder wahr wird, glaubt Euch im Westen niemand, wenn das nur in Büchern geschrieben steht. Die einzige Chance ist, mich das dokumentarisch filmen zu lassen. Und zwar jeden einzelnen Schritt. Dann glauben die Leute das im Westen – und ich übrigens auch. Die Tibeter wollten nicht als Scharlatane dastehen und haben mir das Filmen also gestattet. Dies ist der erste Film in der Geschichte der Menschheit, wo eine Reinkarnation, eine Person in zwei Leben in einem Film, live dokumentiert wird. Er entstand im Kuhhandel mit den Chinesen. Aber es ist ein höherer Schutz für den Karmapa, zu zeigen, daß er in Tibet lebt..

Die Ankündigung verspricht, daß Ihr Film das geheimnisvollste Thema der Menschheit dokumentiert. Wird man als Filmemacher nicht zum Zerstörer, wenn man Geheimnisse dokumentiert?

Ich habe alles, was Wunder angeht, rausgeschnitten. Ein Wunder ist eigentlich wie ein Liebeserlebnis. Die Menschen, die beim 17. Karmapa reinkommen und in ihm an kleinen Gesten den Wiedergeborenen erkennen, verlassen ihn weinend weil sie wissen: Er kennt mich und weiß alles von früher. Das ist ein so schönes Erlebnis, wie eine wunderbare Nacht zusammen. Da gehe ich am nächsten Tag auch nicht her und posaune mein Liebeserlebnis anderen Leuten heraus. Die Vorankündigung betrifft meinen Versuch, die Spanne zwischen Tod und Widergeburt zu visualisieren. Ich habe lange experimentiert und mußte dabei 120 tausend Mark teure Szenen in den Papierkorb schmeissen. Nur eine acht Minuten lange Computeranimation ist davon noch übrig.

Läßt sich das Wunder ohne Computer doch nicht dokumentieren...

Ich dachte, wenn ich dem Gedanken der Reinkarnation gerecht werden will, kann ich nicht zeigen: der 16. Karmapa stirbt. Schnitt: Dann ist der neue da. So hätte ich ja die Essenz der Kontinuität des Geistes verpasst. Ich muß den Zuschauern im Westen erklären, wieso ich davon sprechen kann, daß es von einem Leben ins andere weitergeht. Viele Leute wundern sich, weil der Film so sachlich ist. Die haben was Esotherisches erwartet. Aber da muß ich immer lachen. Hier geht es um einen handfesten Job, um Aneinanderreihung von Fakten. Als Spielfilm kann man das viel besser machen. Ich hatte Sorge, daß Bertolucci das gelöst hätte und habe ihn um die 40 Millionen beneidet. Aber er hat das Thema verschenkt.

Wie ist das eigentlich, einen Reinkarnierten zu filmen?

Ich habe in Ihnen ja auch eine Reinkarnierte vor mir. Oder in meiner Tochter und meinem Sohn sehe ich ja, daß das reinkarnierte Wesen sind. Die bringen völlig verschiedene Persönlichkeiten mit, obwohl sie von Anfang an dieselbe soziale Entwicklung durchlaufen haben. Da hilft mir der Gedanke an Reinkarnation, weil es umgekehrt geht: Die Kinder haben uns ausgesucht für ihr neues Leben. Und also muß ich gucken, warum sie bei uns geboren sind und ihnen helfen, sich zu verwirklichen.

Ändert diese Erkenntnis ihre zukünftige Arbeit? Können Sie die Kamera noch wie früher halten ?

Jaja, gemach. Aber es ändert sich der Umgang mit Menschen. Trotzdem bin ich ja kein Missionar. Ich habe nur ein Fenster aufgemacht, um zu zeigen, es gibt Menschen in anderen Gebieten dieser Welt, die haben ihre eigene Vorstellung vom Universum. Wenn der Film Fragen aufwirft, sehr gut. Buddha hat ja 84.000 verschiedene Wege zur Erleuchtung gelehrt, da findet vielleicht jeder was passendes.

Und sie sind das Werkzeug, um die Ideen zu transportieren?

Wahrscheinlich. So fühle ich mich.

Fragen: Eva Rhode

Demnächst in der Schauburg.