Vorsicht, Grab-Kontrolle!

■ Blüten des deutschen Friedhofes: Über die korrekte Dauergrabpflege und Blumenzählen

Unangemeldet, wie es sich für Kontrolleure nun mal gehört, stehen sie morgens um zehn vor dem Friedhofstor: die Grabkontrolleure. Fetthennen, Karnickel und Zwergkoniferen aufgepaßt: heut' wird euch auf Pfoten und Wurzeln geschaut! Auf der Tagesordnung der beiden Herren steht in diesen Frühjahrstagen aber vor allem eines: Stiefmütterchen-Zählen. Doch beginnen wir von vorne – oder besser: mit dem Ende.

„So möcht' ich nicht begraben sein!“ das sang mit Inbrunst schon Konstantin Wecker – so richtig aussuchen kann es sich heutzutage kaum jemand mehr, da sind schon seitenlange Friedhofsordnungen vor. Auf deutschen Friedhöfen hat in erster Linie alles seine Richtigkeit, nicht seine ansprechende Ästhetik. Wer aber noch zu Lebzeiten gewünscht und vertraglich abgesichert hat, daß zum Geburtstag Primeln, zum Todestag Erika und am Totensonntag ein dunkles Gebinde sein Grab zieren soll, kann sich sicher sein, daß dies auch so sein wird, wenn auf die Verwandschaft kein Verlaß ist: denn da gibt es die Grabkontrolleure der „Nordwestdeutschen Treuhandstelle für Dauergrabpflege“.

„Es ist für mich immer noch das schönste, wenn die Angehörigen die Gräber selber pflegen“, sagt Hans Tangemann von der „Treuhand“. Besser für den Geldbeutel und die Verarbeitung des Todes ist es allemal, sich selbst um die Gräber zu kümmern. Doch der Trend geht andersherum: Immer weniger Leute gehen an heißen Tagen „noch schnell zum Friedhof gießen“, harken, pflanzen und ein Licht anzünden. Die Mobilität steigt, die freie Zeit sinkt, der Wille, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen auch – für das Grünen und Blühen über modernden Särgen sind immer öfter Friedhofsgärtnereien verantwortlich, von den Verwandten beauftragt. Bezahlt wird entweder quartalsweise per Rechnung – oder für zehn, zwanzig Jahre im Voraus. Und dieses Geld wird von der Treuhandstelle für Dauergrabpflege verwaltet. Rund 10.000 KundInnen in Nordwestdeutschland verlassen sich auf diese Dienste, mehr in der Stadt, weniger auf dem Lande.

„Zu uns kommen auch viele Leute, die zur rechten Zeit Vorsorge treffen wollen“, berichtet Tangemann. Wenn eine Erbschaft ins Haus gestanden hat, oder wenn „das Vertrauen in die nächste Generation fehlt, die Familienverhältnisse nicht in Ordnung sind“. Auch 20jährige seien da, wenn auch selten, dabei – „da weiß man ja nicht, was für ein Schicksal dahintersteckt“. Aus einem Leistungskatalog heraus können die Menschen dann wählen, wie ihre Grabstätte gestaltet sein soll – immer mit der Dicke des Portemonnaies im Hinterkopf. Für zwanzig Mark Stiefmütterchen im Frühjahr, ein Strauß für 15 Mark an jedem Geburtstag, Tannengrün als Winterschutz und Grabsteinreinigung alle paar Jahre, dazu noch eine bunte Sommerbepflanzung – da kommt schon einiges zusammen. Die Aufträge werden an die Friedhofsgärtnereien vergeben. Und damit da nicht geschummelt wird: Sechs Wochen im Jahr mit Checkliste und Bleistift über die Friedhöfe von Bremen bis Osnabrück, von Papenburg bis Wilhemshaven zu ziehen, das bringt der Job bei der „Treuhandstelle für Dauergrabpflege“ so mit sich.

„Hier sind, moment mal...“ – die Lippen von Rudolf Lange, Friedhofsgärtner und ehrenamtlicher Treuhandkontrolleur, formen lautlos Zahlen – „dreißig Stiefmütterchen – Hans?“ Hans Tangemann schaut auf seine Liste – „für 24 Mark, na, da ist weit über dem Soll gepflanzt...“ Häkchen. Doch dieses „für 28 Mark“, das ist gar nicht so leicht zu errechnen: Der Vertrag wurde 1974 abgeschlossen, damals sollten noch für neun Mark Stiefmütterchen angepflanzt werden – Tangemann: „Das wird multipliziert mit der Teuerungsrate von 164 Prozent, minus Mehrwertsteuer, macht bei einem Preis incl. Arbeitsaufwand pro Stiefmütterchen 1,50 Mark Zahl X“ – alles klar? Und so kommt es, daß bei der Grabstelle 127a auf dem Huckelrieder Friedhof nun der zuständige Gärtner noch für 10 Mark Stiefmütterchen nachpflanzen muß – erwischt. Bei Leuten mit dünnem Portemonnaie nicht allzu kümmerliche Anpflanzungen vorzunehmen, ist allerdings eine Sache der Ehre unter den FriedhofsgärtnerInnen.

„Da ist gerade der Sarg in sich zusammengefallen“, deutet Lange auf eine eingesackte Grabstelle, „das muß neu angelegt werden.“ Vermerk. Tangemann erinnert sich daran, wie einmal bei starkem Regen vor seinen Augen ein Grab zusammengesackt ist... Hier hat mal die Fetthenne ein Loch, also die grüne Bodendecke wächst ungleichmäßig, dort haben die Karnickel eine Höhle gegraben. „Nix können Sie da machen“, schimpft der zuständige Friedhofsgärtner, „die kommen immer wieder, und wenn die Jungen erstmal da sind, erinnert sich immer mindestens eins, in welchem Grab es zur Welt gekommen ist...“ Susanne Kaiser