■ Die aufrechte urinale Segregation: Ein schlichtes Spiel?
: Auf den Trichter gekommen

Berlin (taz) – Der Erfinder des modernen Urinalsessels muß wohl ein Mann gewesen sein. Wer sonst hätte sich ein Sitzmöbel ausdenken können, das uns Frauen fortwährend in die Knie zwingt, das erhabene Geschlecht dagegen zu so schönen Spielen wie „Zielpissen“ befähigt? Anders als beim Völkerball beginnt dieses kurzweilige Amüsement mit dem Abschlagen und endet später bei einem sogenannten „halben Ständer“. Ein schlichtes Spiel – leicht erlernbar für jedermann. Nur wir Frauen müssen dabei ständig aussitzen.

Darin, und nicht etwa in den immer vorgeschobenen hygienischen Randerscheinungen, liegt das drängende und bisher noch nicht gelöste Problem des „Im-Stehen- Pissens“. Deshalb werden junge Knaben von ihren Müttern Land auf, Land ab genötigt, den Dödel in die Schüssel zu halten, statt den Resturin medizinisch vorschriftsgemäß auf den Toilettenrand abzutröpfeln. Darum darf so mancher Jüngling seine Notdurft nicht in der Schulhofecke verrichten, sondern muß mit hochrotem Kopf und zusammengeknoteten Beinen seiner Angebeteten wehrlos hinterherschauen. Schwestern, wir sollten es endlich zugeben: Wir Frauen leiden wirklich unter einem nagenden Penisneid und rächen uns für unser fehlendes Spielgerät nun mit fortwährenden Attacken gegen den Homo ludens.

Das ist kleinmütig und hat mit Emanzipation wenig zu tun. Warum, so fragt sich die aufgeklärte Frau, während sie mal wieder mit gebeugtem Rücken auf dem Klo hockt, soll das starke Geschlecht seine Harnröhre Tag um Tag aufs Spiel setzen, nur weil wir es nicht wagen, uns endlich auch zu erheben? Wie lange noch wird es dauern, bis wir uns im Stau auf der Autobahn zu den anderen an die Leitplanke stellen und ihnen befreit zurufen: Hey, laßt mich mitabschlagen!

Zugegeben, die Natur scheint es nicht von vornherein eingeplant zu haben, daß wir uns im Stehen entleeren. Aber fliegen wir nicht auch seit ein paar Jahren, obwohl wir keine Flügel haben? Es kann doch nicht sein, daß eine Wissenschaft, die Kerne spaltet und Radiowellen verbreitet, nicht in der Lage ist, endlich ein Gerät zu erfinden, das den kleinen Unterschied mit den großen, meist so übelriechenden Folgen ein für allemal eliminiert!

Viel bräuchte es nicht: Man könnte doch einen ergonomisch geformten Trichter mit einer kleinen, röhrenförmigen Teleskopstange verbinden und selbige an ein mit Saugnäpfen versehenes Gestänge montieren. Auf jede Beinlänge verstellbar, könnten Frauen dann ihr Wasser gefahrlos in den Trichter lassen, indem sie sich nicht vor, sondern einfach über die WC-Muschel stellten. Diese Abschlagsvariante wäre sogar ausgesprochen rockfreundlich, ließe sich mittels eines diskreten Eingriffs in der unteren Scham aber durchaus auch mit Hosen benutzen. Selbst Männer, die in der laufenden Debatte bisher keinen eindeutigen Standpunkt einnehmen wollten, könnten ihr Wasser künftig ohne Angst abstrullen: Kein Tröpfchen würde die Schüssel verfehlen.

Den vielen zwangsneurotischen Hygienikern und wenigen wirklich chronisch pilzanfälligen Mitmenschen unter uns sei die Anschaffung eines persönlichen Trichters anempfohlen, der den öffentlichen Aufsatz ersetzt. Wahlweise in hautfreundlichem Naturkautschuk oder als ergonomische Maßanfertigung, zum Zusammenfalten oder im repräsentativen Schminkköfferchen, dürfte künftig jede pissen, wie ihr die Möse gewachsen ist. Und die „Wahrheit“ könnte sich endlich den wirklich drängenden Fragen des Lebens zuwenden: Wie kommen eigentlich die Schmierstreifen ins Klo, und wer macht sie wieder weg? klab