Ende des diplomatischen Verwirrspiels

■ Die Clinton-Regierung muß nicht lediglich Rußlands Konfrontationskurs im UNO-Sicherheitsrat fürchten

Nicht Angst um die Menschen, sondern die Angst vor einer politisch-diplomatischen Blamage – mit diesen Worten analysierte am Sonntag Mohamed Sacirbey, UNO-Botschafter Bosnien-Herzegowinas, die Motive des Westens für die jüngsten Nato-Luftangriffe auf serbische Stellungen um Goražde. Was die USA betrifft, so dürfte Sacirbey allemal richtig liegen: Die Luftangriffe der US-Air- Force beenden vorerst eine ganze Kette von Widersprüchlichkeiten innerhalb der Clinton-Regierung, die zu scharfer Kritik an ihrer Bosnien-Politik geführt hatte.

In der letzten Woche war man im Weißen Haus vor allem damit beschäftigt, Mißverständnisse auszuräumen und der Außenwelt klarzumachen, daß US-Kabinettsmitglieder nicht immer das meinen, was sie in Pressegesprächen sagen. Das diplomatische Verwirrspiel hatte am vorletzten Wochenende begonnen, als US-Verteidigungsminister William Perry in einem TV-Interview den Einsatz von militärischer Gewalt ausschloß, um die Übernahme Goraždes durch bosnische Serben zu verhindern. Das klang nicht nur in den Ohren der bosnischen Muslime wie eine Einladung an die Angreifer, die Stadt mit ihren 70.000 BewohnerInnen weiter unter Beschuß zu nehmen. Zwei Tage später stimmte der höchste Militär des Landes, General John Shalikashvili, in den Kanon ein und bezweifelte vor laufenden Kameras, daß Luftangriffe gegen serbische Stellungen um Goražde irgendeinen strategischen Sinn haben könnten. Außenminister Warren Christopher und Sicherheitsberater Anthony Lake waren denn auch in der letzten Woche vollauf mit einem Balanceakt beschäftigt: Einerseits galt es, die Statements aus dem Pentagon in der Öffentlichkeit diplomatisch zu korrigieren und hinter den Kulissen dem Oberbefehlshaber der Unprofor- Truppen in Bosnien-Herzegowina, General Michael Rose, zu versichern, man werde sich keineswegs gegen Nato-Luftangriffe zum Schutz von UNO-Truppen stellen.

Andererseits wollte man den Eindruck vermeiden, die USA würden sich mit einer neuen harten Linie gegen die bosnischen Serben profilieren. Denn zum einen befürchtet man, daß Rußland im UN-Sicherheitsrat auf Konfrontationskurs gehen könnte. Zum anderen steht die Clinton-Regierung vor der delikaten Aufgabe, einem höchst widerwilligen US-Kongreß die Zustimmung für die Stationierung von US-Bodentruppen abzuringen, sollte es zu einem Friedensabkommen zwischen Muslimen, Kroaten und Serben in Bosnien- Herzegowina kommen. Andrea Böhm, Washington