■ Brandenburgs Landtag will keine vorgezogenen Neuwahlen
: Sieg der Diätenhaie

Brandenburg und Sachsen-Anhalt können sich die Hände reichen. In beiden Ländern haben es Politiker geschafft, die Glaubwürdigkeit der noch jungen Demokratien fundamental zu erschüttern. Im einen Fall durch egoistische Bereicherung. Im anderen durch Politikunfähigkeit und Diätenabhängigkeit. So geschehen in den letzten drei Wochen in Potsdam. Und besiegelt durch die gestrige Entscheidung der Abgeordneten, den Potsdamer Landtag nicht aufzulösen. In Mißkredit geraten sind dabei nicht nur Minister und Parlamentarier. Gestorben ist auch die Hoffnung, von Ost-Politikern könnte ein neuer, anderer Politikstil – fern von macht- und parteipolitischen Intrigen westdeutscher Mandatsträger – ausgehen.

Um noch einmal daran zu erinnern: Angefangen hat alles in Potsdam nicht mit dem Ende der Ampelkoalition, nicht mit Streitigkeiten um Sachfragen, sondern mit den Stasi-Verstrickungen Manfred Stolpes. Die Bündnis-Abgeordneten, allen voran ihr Fraktionschef Günther Nooke, konnten Stolpe nicht mehr mit reinem Gewissen ihr Vertrauen aussprechen. Nooke und Co. haben gestern geschlossen und konsequent für die Auflösung des Parlaments und damit für Neuwahlen gestimmt. Es ist richtig, jetzt dem Souverän die Entscheidung über Stolpe zu überlassen. Die CDU hingegen absolvierte mit ihrem Votum gegen die Auflösung eine politische Pirouette. Ihre Abgeordneten outeten sich schlicht als Diätenhaie.

Nach der gestrigen Entscheidung ist klar, daß viele Gesetze bis zur Wahl am 11. September im Aktenschrank liegenbleiben. Brandenburg wird also weitgehend handlungsunfähig sein. Um zumindest die wichtigsten Gesetze durchzubringen, muß die Minderheitenregierung aus FDP und SPD jetzt um Stimmen betteln gehen. Daß sie dabei auf die PDS zurückgreift, ist nicht so schlimm. Ekelhaft wird es nur, wenn die Koalition nach den Ereignissen der vergangenen Tage auch bei der CDU um Stimmen anstehen wird.

Die Antwort enttäuschter Bürger wird am 11. September zu Recht die CDU treffen. Auch die FDP wird nicht verschont bleiben. Die Liberalen haben gestern mit ihrem Votum gegen Neuwahlen leeren Machtwillen demonstriert. Eindeutiger Gewinner ist Manfred Stolpe. Am 11. September wird in Brandenburg darüber entschieden: Ist Stolpe schuldig oder unschuldig? Die Bürgerinnen und Bürger habe ihr Urteil bereits gefällt: Nach neuesten Umfragen würden 70 Prozent Stolpe alias IM „Sekretär“ direkt wählen. Werte, von denen Ministerpräsident Bergner nur träumen kann. Anja Sprogies