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Japans Reformen gehen weiter

■ Koalition einigt sich auf Außenminister Hata als Premier

Tokio (taz) – Banri Kaieda (44) ist eigentlich Steuerberater und erst seit acht Monaten Mitglied im Tokioter Unterhaus. Gestern mittag stand dem Noch-Amateurpolitiker der Schweiß auf der Stirn, als er in seinem kleinem Parlamentsbüro die Nachrichten anschaltete. „Die Koalitionsparteien sind sich weiterhin nicht einig“, lautete die erste Auskunft des Moderators. Da lachte Kaieda laut.

„Das sind alte Informationen“, spottete der Koalitionspolitiker von der „Neuen Partei Japans“, einer kleinen neugegründeten Basispartei. „Wir haben uns auf Außenminister Tsutomu Hata als neuen Premierminister geeinigt, denn er hat in allen Parteien Freunde. Jeder andere hätte die Rückkehr zur alten Politik inkarniert.“ Am Einfluß des Parlamentsneulings Kaieda auf die Wahl des Premierministers läßt sich erkennen, daß Japans Reformen weitergehen.

Einen Tag zuvor hatte alles noch so ausgesehen, als würde die seit acht Monaten regierende Sieben-Parteien-Koalition nach der Rücktrittsankündigung von Premierminister Morihiro Hosokawa am vergangenen Freitag zerbrechen. Doch gestern rauften sich die Kontrahenten in der Koalition wieder zusammen: Weder den Sozialdemokraten noch den anderen Parteien in der Regierung war es in den letzten Tagen gelungen, die einst so mächtige Liberaldemokratische Partei (LDP) in der Opposition zu spalten, um mit Teilen der LDP eine neue Koalition zu bilden. Erst diese neuen Spaltungsversuche hatten die Regierungskrise in Tokio ausgelöst.

„Uns Liberaldemokraten fehlt immer noch die Kraft und die Energie“, analysierte der LDP- Abgeordnete Shokei Arai und zeigte in seinem Büro auf ein Porträt des ehemaligen LDP-Außenministers Michio Watanabe, der weiterhin für das Amt des Premierministers kandidieren will. Arai fügte deshalb hinzu: „Watanabe ist alt, krank und hat eine Menge Skandale am Hals. Es ist doch klar, daß viele Japaner unsere Partei immer noch satt haben.“

Zwar hat auch der neue Spitzenkandidat der Koalition, der 59jährige Außenminister und Vizepremier Tsutomu Hata, die LDP erst vor zehn Monaten verlassen. Doch er besitzt Charme und eine liberale Grundhaltung, die ihn selbst für Sozialdemokraten akzeptabel macht. „Nach dem Chaos zurück zum Favoriten“, lobte die Tageszeitung Asahi gestern die Wahl Hatas. Weil sich der Betroffene derzeit jedoch noch zu den Gatt- Verhandlungen in Marokko aufhält, kann ihn das Parlament frühestens am Montag zum neuen Regierungschef wählen.

Noch immer gibt es einige Ungewißheiten: Die kleine „Sakigake“-Partei will aus der Koalition ausscheren, weil ihr Vorsitzender den Schlüsselposten des Regierungssprechers verliert. Doch das sind Nebenschauplätze, nachdem deutlich wurde, daß es für die große Neuordnung der japanischen Parteienlandschaft derzeit zu früh ist. Zwar haben sich innerhalb der Koalition nunmehr ein sozialdemokratisches und ein konservatives Lager formiert, doch die Apathie innerhalb der LDP und ein bislang nicht verabschiedeter Staatshaushalt zwangen zum schnellen Handeln. Tatsächlich finanziert sich der japanische Staat derzeit aus einem Nachtragshaushalt, obwohl das neue Finanzjahr bereits am 1. April begonnen hat. „Der Zeitdruck aufgrund des im Parlament hängenden Staatsbudgets war uns eine große Hilfe für die rasche Einigung“, freute sich der Abgeordnete Banri Kaieda. Georg Blume

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