"Szene-Packs" straffrei

■ Besitz von geringen Mengen Heroin und Kokain soll nicht mehr verfolgt werden / Druckräume wird es aber nicht geben

Drogenabhängige, die mit geringen Mengen von Kokain und Heroin von der Polizei erwischt werden, sollen bald nicht mehr strafrechtlich belangt werden. Wie Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) gestern mitteilte, hat die Innen-, Jugend- und Justizverwaltung dazu eine Richtlinie erarbeitet, die in Kürze vom Senat verabschiedet wird. Bisher wurden nur Verfahren eingestellt, bei denen kleine Mengen von weichen Drogen wie Haschisch beschlagnahmt wurden – in Berlin sind das laut Krüger rund 75 Prozent aller Verfahren, in Bayern dagegen nur sechs Prozent. Mit einer ähnlich hohen Quote rechnet er auch zukünftig für den Bereich der harten Drogen, allerdings seien nur „geringe Mengen bis zu drei Gelegenheiten“ erlaubt. Das Ziel seiner Drogenpolitik sei, Junkies „zu entkriminalisieren“, Drogen aber nicht zu legalisieren. So lehnt er weiterhin die Freigabe von Haschisch strikt ab.

Auch sogenannte „Druckräume“, in den Abhängige unter streßfreien und hygienischen Bedingungen Drogen konsumieren können, stoßen beim Jugendsenator auf Ablehnung. „Diese Einrichtungen haben in anderen Städten, beispielsweise in der Schweiz, gezeigt, daß sie eine Sogwirkung und keine Beruhigung der Szene zur Folge haben“, glaubt Thomas Krüger. Auch hätte die Erfahrung gelehrt, daß in Druckräumen die Dosierungen gestiegen und Abhängige für weitergehende Hilfen kaum noch ansprechbar seien. Astrid Leicht vom Drogenprojekt Fixpunkt sieht das anders: „Öffentliche Toiletten zum Drücken reichen nicht aus. Wir brauchen Hygieneräume mit Pflegepersonal für Fixer, um ihre Bedingungen zu verbessern.“ Ähnlich wie ein Wickelraum für Babys solle es öffentlich zugängige Räume mit Notsignal und Putzpersonal geben. Auch könnten die schlechten Erfahrungen in Bern, wo es in den von der Stadt tolerierten Druckräumen tatsächlich zu einem höheren Konsum von Drogen gekommen sei, nicht „nahtlos auf Berlin übertragen werden“, da die Drogenszene in der Schweiz viel größer und aggressiver sei.

Methadon solle, so Krüger, in Zukunft auch weiterhin nur in Einzelfällen von ÄrztInnen, verbunden mit einer psychosozialen Beratung, verabreicht werden, denn „nicht jeder der 8.000 Heroinabhängigen ist für eine Ersatztherapie geeignet“. Zur Zeit würden 787 DrogenkonsumentInnen substituiert, die Hälfte sei HIV-positiv.

Rund 25 Millionen Mark stehen der Jugendsenatsverwaltung in diesem Jahr für die Drogenhilfe zur Verfügung, davon wird eine Million Mark vom Bund zugesteuert. Rund 200.000 Mark sollen davon für Streetwork im Ostteil ausgegeben werden. Anlaufstelle wird laut Krüger die BesetzerInnenszene in der Rigaer-, Schönhauser- und Pfarrstraße sein, wo vermehrt harte Drogen konsumiert würden. Die meisten Abhängigen seien aus Westdeutschland zugezogene junge Menschen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Streetworker soll das Neubauviertel in der Frankfurter Allee Süd in Lichtenberg sein, wo vor allem frühere Mitarbeiter der gegenüberliegenden Stasi-Zentrale und des Magistrats leben. Dort gebe es besonders bei rechten Jugendlichen Alkoholprobleme. Auch sei die Jugendobdachlosigkeit vergleichsweise hoch. Julia Naumann