Kein passender Holzhammer

■ betr.: „Bleibt TV-Gewalt doch fol genlos?“, „Etappen im Gefühls management“ (Studie zur Wir kungsweise von Mediengewalt re lativiert populäre Auffassungen), taz vom 30./31.3.94

Es ist ja nun bekannt, daß das mit dem Wissenschaftsjournalismus so eine Sache ist – leider eignen sich die Ergebnisse, die von der WissenschaftlerInnen-Kaste vorgesetzt werden, so gar nicht dazu, bildzeitungsmäßig auf den Punkt gebracht zu werden. Vielmehr ist da ständig von „komplexen Beziehungen“ die Rede und von gewissen Relativierungen. Das ist höchst bedauerlich, wenn man doch so gerne jene „Studie zur Wirkungsweise von Mediengewalt“ der Mannheimer Universität zum Anlaß nähme, einmal allen richtig auf den Kopf zu hauen, die immer noch dumm genug sind zu glauben, Brutalität in Medien bleibe vielleicht doch nicht ganz ohne brutalisierende Wirkung auf die werte ZuschauerInnenschaft.

Schade, daß die Studie den passenden Holzhammer aber offenbar beim besten Willen nicht liefert, oder war's dem Redakteur womöglich doch zu schwör? Wie ist das zum Beispiel zu verstehen, wenn nach höchst konfusem Gerede von „durchweg beobachtetem aktivischem Umgang(s) mit dem ,symbolischen Material‘“ und „verminderte(m) Sozialbezug als vorübergehender Reflex einer sich individuierenden Persönlichkeit“ plötzlich die segensreiche Wirkung von Gewaltdarstellungen für den pubertierenden Reifungsprozeß aus der Asche ersteigt?

Und wie steht es überhaupt mit den kumulativen und Langzeiteffekten? Aus den ersten Ankündigungen der Studie (passenderweise auf der „Wahrheitsseite“) geht ja immerhin noch hervor, daß die Studie allenfalls kurzfristige Effekte messen konnte. Das ist bei der üblichen Laborsituation solcher Studien auch nicht anders zu erwarten, fällt aber in der ausführlicheren Darstellung am folgenden Tag schon ganz unter den Tisch. Nur – was sollen wir mit Angaben über kurzfristige Effekte anfangen, wenn die Realität doch eher so aussieht, daß aus Fernsehprogramm und Videovorrat jeden Tag neu eine reichliche Auswahl an Gewaltdarstellungen – fiktional und nichtfiktional – zur Verfügung steht und konsumiert wird?

Wenn dann auf der Titelseite am 31.3. die Studie als „Anti-Merkel“ zur „Anti-Merkel-Ideologie“ angekündigt wird, fragt sich allerdings, bei wem nun der ideologische Impetus zu suchen ist. Auf der Wahrheitsseite läßt sich ja einiges verkraften, aber wenn's denn als richtiger Artikel daherkommt, wäre doch etwas mehr Differenzierungsvermögen wünschenswert. L. Fricke, Laer