Kirche segnet lesbische und schwule Paare

■ Die Bremer Kirche, ihre homosexuellen AmtsträgerInnen und die Angst vor den Konservativen

Ubbo Segelken ist Pastor, und er ist schwul. Nach 15 Jahren Kampf gegen die hannoversche evangelische Landeskirche, zwei Zwangsversetzungen und einer angedrohten Frühpensionierung hat er, der in seiner Gemeinde in Bassum offen schwul gelebt hat, sich bei der Landeskirche selbst angezeigt – und zum Mai gekündigt: „In einer solchen Kirche will ich nicht mehr Pastor sein“, sagt er mittlerweile. So angstfrei wie Ubbo Segelken konnten sich amtierende lesbische Pastorinnen oder schwule Diakone aus Bremen am Donnerstag abend im „Haus kirchlicher Dienste“ zum Thema „Homosexuelle Liebe und Kirche“ offenbar nicht präsentieren: Sie fehlten auf dem Podium. Noch immer müssen offen schwullesbisch lebende, kirchliche AmtsträgerInnen den Verlust ihres Arbeitsplatzes befürchten.

Lesben und Schwule sind überall, das ist nicht nur ein Graffiti-Motto der autonomen schwullesbischen Bewegung. Die Kirchen haben vor dieser Wahrheit lange die Augen verschlossen, doch seit gut einem Jahr wird das Thema Homosexualität auch in der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) diskutiert – am Donnerstag kamen fast 60 Interessierte. Ist Homosexualität bei Ihnen ein Kündigungsgrund? Sind Sie bereit, lesbische und schwule Paare zu trauen oder zu segnen? Mit diesen Fragen, an alle 69 evangelischen Gemeinden in Bremen geschickt, hatte die Jugendvertretung im letzten Jahr die Diskussionen ausgelöst. In vielen Gemeinderäten kamen die Briefe gar nicht erst auf die Tagesordnung, doch in anderen wurde auf breiter Basis über dieses Tabuthema geredet – „auch offen über Vorurteile und Unsicherheiten“, sagt Pastorin Ruth Fenko von der Gemeinde Ellener Brok.

Das Ergebnis solcher Prozesse: Insgesamt fünf Gemeinden in Bremen haben sich jetzt dazu bereit erklärt, homosexuellen Paaren einen kirchlichen Segen zu geben. Die Gemeinde Ellener Brok veröffentlichte folgende Erklärung: „Die sexuelle Ausrichtung ist für uns kein Kriterium für die Einstellung oder Weiterbeschäftigung von MitarbeiterInnen. (...) Homosexuell liebende Paare, die bei uns einen Gottesdienst zum Beginn ihrer Lebensgemeinschaft analog der Kirchlichen Trauung wünschen, werden ihn bekommen(...).“ Für Ruth Fenko ist klar: „Wir können nicht erwarten, daß sich die Betroffenen selbst aus dem Fenster hängen und ihren Beruf aufs Spiel setzen – das müssen andere für sie tun.“ Sie hat bereits einen Gottesdienst zum Thema Homosexualität abgehalten.

Friede, Freude, Eierkuchen in den bremischen Gemeinden? Die Hetzkampagnen der hannoverschen Landeskirche gegen Lesben und Schwule geht auch an Bremen nicht vorbei. Denn die Jugendvertretung bekam auch solche Antworten: „Wir fragen uns, wie Sie zu der Ansicht gelangt sind, daß Homosexualität weder krankhaft noch sündhaft ist.“ Bibelzitate belegen angeblich, daß Homosexualität ein „Greuel“, ein „Symptom des psychosozialen Chaos“ sei – und: Man müsse „den Betroffenen klare psychotherapeutische und geistliche Hilfestellung anbieten, um ihnen aus ihrer homosexuellen Gefühlsstruktur herauszuhelfen“.

Bekannt ist der ökumenischen Arbeitsgruppe „Homosexuelle und Kirche“ (HuK) in Bremen kein Fall offener Diskriminierung – im Gegensatz zu Hannover, wo die Ablehnung eines schwulen Vikariatskandidaten durch die Presse ging. Und in Oldenburg wurde just ein Theologiestudent, der im Mai ein Vikariat antreten wollte, gegen seinen Willen von seiner Doktormutter geoutet – wohl das Ende seiner Karriere, denn zu ihrem Amtsantritt hatte die oldenburgische Oberkirchenrätin Albrecht erklärt, in ihrer Amtszeit werde es keine homosexuellen PastorInnen geben. Doch daß auch in Bremen der Druck für lesbische oder schwule ChristInnen enorm ist, bestätigt das Bremer Lesbentelefon, bei dem Betroffene immer wieder von ihren Ängsten berichten.

Unter Druck, wenn auch ganz anderer Art, stehen auch FunktionsträgerInnen in der BEK, die sich für die Akzeptanz von Lesben und Schwulen einsetzen möchten: „Ich könnte mir nicht vorstellen, eine öffentliche Kampagne für Homosexuelle zu machen – das würden wir nicht durchstehen“, bekannte der Schriftführer des Kirchenausschusses, Ernst Uhl. Als bekannt wurde, daß der Kirchenausschuß über das Thema auch nur reden wollte, erntete er postwendend aus einer bremischen Gemeinde den Vorwurf der „widerchristliche Propaganda für Homosexualität“. Der Einfluß erzkonservativer, sogenannter evangelikaler Gemeinden – in Bremen werden rund zehn dazu gerechnet – steigt: Unter ihrer Führung wurde im letzten Jahr nicht nur die Einführung einer Frauenbeauftragten verhindert, sie eröffneten auch aus Protest gegen die Schwangerschaftsberatung der evangelischen Kirche eine eigene Lebensberatung auf dem Martinikirchhof. Die arbeitet z.B. mit dem Ansatz, daß Lesben und Schwule therapiert werden müssen.

Am liebsten würde die Kirche wohl eine Diskussion über Homosexualität verhindern: Auf dem letzten Treffen der „Leitenden Geistlichen“ der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) soll ein Beschluß gefaßt worden sein, daß die Landeskirchen ein Jahr lang keine Entscheidungen zum Umgang mit Homosexuellen abgeben sollten. Die Begründung für den Maulkorb lieferte der EKD-“Chefethiker“ Trutz Rendtorff laut Uhl gleich mit: Die Kirche könne sich den „Domino-Effekt“ einer grundsätzlichen Wertediskussion nicht leisten.

Und so reagierte Ernst Uhl auf die Forderung konstitutionellen Schutzes für Homosexuelle extrem zögerlich. „Im Einzelfall“ will er entscheiden, wie man „diese Menschen schützen kann“ – ja keine Grundsatzaussage, denn: „Will man einen Krieg anzetteln oder nicht?“ so Uhl.

Den aus Angst versteckt in den Gemeinden lebenden Lesben und Schwulen hilft der Vorschlag, sie quasi als unvermeidliche Kulanzfälle bestenfalls wohlmeinend zu ignorieren, wenig: „Ich will keine stille Duldung, sondern Anerkennung!“ sagt Ubbo Segelken. Dafür hat er 15 Jahre vergeblich gekämpft.

Susanne Kaiser