Kriminalitätsangst

■ betr.: „Naht der Notstand?“, taz vom 12.4.94

[...] Es wird derzeit so getan, als wenn wir es schon mit sogenannten amerikanischen Verhältnissen zu tun hätten. Davon sind wir, selbst unter Berücksichtigung der Polizeilichen Kriminalstatistik, noch weit entfernt. Uns drohen massive Beschneidungen der Grundgesetzartikel 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung) und 14 (Eigentumsgarantie); und das alles unter Mitwirkung einer brav-bieder angepaßten Opposition, die nur noch den Machtwechsel im Hinterkopf hat.

Es bleibt festzustellen: Die Gefahr in Deutschland, Opfer einer Straftat zu werden, ist und bleibt insgesamt verschwindend gering.

[...] Objektiv ist die Sicherheitslage nämlich entgegen aller Unkenrufe aus dem „schwarzen Lager“ nicht schlechter als bei den europäischen Nachbarn, zum Teil gerade im Bereich der Tötungsdelikte sogar besser; sie ist erheblich besser als in Nordamerika oder Australien.

Zur Aufrüstung der Sicherheitsorgane gibt es also keinen pragmatischen Anlaß. Vielmehr sollte durch diese betreffend des subjektiven Sicherheitsgefühls der Bürger eine adäquatere Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Gesetzesverschärfungen bringen gar nichts, das gilt insbesondere für das Jugendstrafrecht, wo der Erziehungsgedanke auch weiterhin höchste Priorität haben sollte. Es reicht völlig aus, das zur Verfügung stehende gesetzliche Instrumentarium mit letzter Konsequenz anzuwenden. Dazu fehlt der Polizei und Justiz gerade im „Basisbereich“ nicht selten das adäquate Personal und die moderne Technologie.

Bis heute war man nicht in der Lage, für die sogenannte Organisierte Kriminalität (OK) eine Legaldefinition abzuliefern. Die OK muß momentan für alles und jeden herhalten; alle (Polizei, Schlapphüte, BND) wollen sie lauschen und schnüffeln. Zur Drogenpolitik: Dem Drogentod kann man mit strafrechtlichen Sanktionen nicht begegnen. Unsere repressive Drogenpolitik ist gescheitert. Während bei uns im Jahr weiterhin über 2.000 Drogentote zu beklagen sind, hat die teilweise so heftig gescholtene niederländische Drogenpolitik zum Ergebnis, daß dort etwa 60 Drogentote pro Jahr vermeldet werden. Die Bürger würden von einer Entkriminalisierung bzw. Legalisierung des Drogenkonsums unmittelbar profitieren, das heißt die Beschaffungskriminalität wäre kein ernstzunehmendes Thema mehr. Die Süchtigen sind als Kranke im Sinne des Sozialhilfegesetzes anzuerkennen. Es gilt, die Zwangsgemeinschaft zwischen den Opfern und den eigentlichen Gewinnlern im Drogenbereich aufzulösen und den Blick der Polizei auf die wahren Kriminellen zu richten! Jürgen Bugla, Mitglied des Vorstands und Bundessprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten u. Polizistinnen, Castrop-Rauxel