■ Ökolumne
: Verliererinnen Von Christa Wichterich

Gatt besiegelt den Triumph des globalen Supermarkts über die kleinen Marktflecken Afrikas oder Indiens. Gatt besiegelt den Triumph transnationaler Konzerne über die afrikanische Bäuerin. Sie – nennen wir sie Mama Miriam – wird gemeinsam mit Millionen Kleinbauern und -bäuerinnen in den Ländern des Südens, aber auch des Ostens und Nordens, die Verliererin der Neuen Welthackordnung des Handels sein. Ordnung schafft diese durch eine Flurbereinigung der Märkte und eine globale Umverteilung, die den gesamten afrikanischen Kontinent, einzelne Länder wie z.B. Indonesien und weltweit die Kleinbauernschaft ins Abseits befördert. So wie die Supermärkte die Tante- Emma-Läden kaputt gemacht haben, wird Gatt die kleinbäuerliche Wirtschaft in die Enge treiben und damit den Prozeß konsequent fortsetzen, der durch die Industrialisierung der Landwirtschaft und die grüne Revolution begonnen wurde.

Die bäuerliche Wirtschaft ist eine Tante-Emma- Wirtschaft. Frauen sind weltweit das Rückgrat der Landwirtschaft zur Selbstversorgung. In vielen Regionen, so in Afrika, tragen sie selbst die Früchte der Felder im nächsten Dorf zu Markte.

Die Gatt-Liberalisierung wird erheblich mehr europäische Überschußprodukte auf die afrikanischen Märkte spülen und Mama Miriam statt Freiheit Konkurrenz bescheren. Im Wettbewerb mit den Zwiebeln aus Holland, kostengünstig produzierter Massenware, wird es schwierig, die eigenen Zwiebeln abzusetzen. Die Erzeugerpreise für den Kaffee, den sie anbaut, decken schon jetzt die Kosten nicht. Dabei wird ein weiterer Sturz der Kaffeepreise erwartet. Gleichzeitig werden die Preise für Grundnahrungsmittel steigen, da die importierten und die eigenen Grundnahrungsmittel durch Subventionsbeschränkungen teurer werden.

Weltbank und OECD schätzen, daß sich die Handelseinbußen afrikanischer Länder künftig auf jährlich 2,6 Milliarden Dollar belaufen werden. Sinkende Deviseneinnahmen bei steigenden Ausgaben und Schulden – das trifft die Staatshaushalte existentiell. Doch wahrhaft tödlich trifft es den Haushalt von Mama Miriam: Sie bekommt weniger für die eigenen Produkte und zahlt mehr für die aus dem globalen Supermarkt.

Die Regierungen werden den Mama Miriams und der Subsistenzwirtschaft nicht unter die Arme greifen; Sie setzen voll auf Exportproduktion, in der Hoffnung, doch noch am globalen Roulette teilzuhaben und sinkende Preise durch größere Mengen wettzumachen. Agromultis mit ihren Monokulturen, für deren Investitionen Gatt Tür und Tor öffnet, und einheimische Großgrundbesitzer werden den Selbstversorgungsanbau auf marginale Böden verdrängen und Mama Miriam zwingen, Buschland oder steile Hänge unter die Hacke zu nehmen, die Böden schonungslos zu übernutzen und der Erosion den Weg zu bahnen.

Mama Miriam verliert außerdem die Unabhängigkeit, die ihr ein mit Asche und Lehm gegen Insekten geschützter Korb garantiert, der in ihrer Hütte von der Decke hängt. Darin hütet sie ihr Saatgut für die nächste Aussaat. Gatt macht jedes Saatkorn, bisher Eigentum der afrikanischen Nutzerinnen, zu einem Objekt kommerzieller Begierde für Saatgutkonzerne. Denn wenn sie das Saatgut, das sie von afrikanischen Feldern klauen und in ihren Genbanken horten, biotechnologisch verändern, können sie es als ihr „geistiges Eigentum“ patentieren lassen. Vor Mama Miriam tut sich eine neue Marktfalle auf: Kauft sie solch angeblich ertragreichere Saat, muß sie für jede Aussaat den „Urheber“ bezahlen. Dabei wird sie schlicht für dumm verkauft. Denn seit Jahren werden ihre Anbaumethoden arbeitsintensiv und unproduktiv geschimpft. Ihre Mischkultur von Mais, Bananen und stickstoffbindenden Bohnen galten als Inbegriff der Rückständigkeit. Nun soll Mais mit stickstoffbindenden Wurzeln gentechnisch gebastelt werden. Nachdem Mama Miriams Erfahrungswissen und -können durch die Dogmen moderner Agrartechnologie entwertet wurde, soll sie nun dasselbe Wissen nach genetischer Manipulation als „geistiges Eigentum“ eines Konzerns kaufen. Damit verteilt Gatt nicht nur Güter und materielles Eigentum, sondern auch Wissen grenzüberschreitend um. Auskonkurriert durch Agromultis, verdrängt durch Exportproduktion, entwertet durch Saatgutkonzerne, wird Mama Miriam zum letzten und schwächsten Glied der Kette in der Gattokratie. Die letzten beißen bekanntlich die Hunde – oder der Hunger.

Christa Wichterich lebt als Publizistin in Bonn