Staatsanwälte wollen Kurden nicht ausweisen

■ Inländische Strafverfolgung hat Vorrang / 15 Ausweisungsverfügungen in Bayern

Augsburg/München (taz) – Wer dieser Tage die offiziellen Verlautbarungen des bayerischen Innenministers liest, könnte glauben, die Ausweisung und in der Folge die Abschiebung der inhaftierten Kurden laufe auf Hochtouren. Doch tatsächlich sind gerade einmal drei Anträge auf Aussetzung der Strafverfolgung und Ausweisung beim Verwaltungsgericht Augsburg eingegangen. Erst in einem Fall liegen die Akten vor. Und in keinem einzigen ist das Einverständnis der Staatsanwaltschaft zu erkennen, auf die Strafverfolgung zu verzichten. Insgesamt bestehen in Bayern 15 Ausweisungsverfügungen.

Für die von Innenminister Beckstein geforderte und von verschiedenen bayerischen Ausländerämtern verfügte Ausweisung wäre jedoch ein Verzicht auf Strafverfolgung erforderlich. Dies wiederum geht nur bei weniger gravierenden Rechtsverstößen. Gerade aber Innenminister Beckstein und mit ihm die gesamte CSU-Fraktion werfen den nach den Krawallen vom 19. März inhaftierten Kurden vor, massiv Gewalt gegen deutsche Polizisten angewandt zu haben. Bei solch gravierenden Verstößen wird eine Abschiebung vor einem Gerichtsverfahren immer unwahrscheinlicher. Zudem, so der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Augsburg, Werner Link, sei keineswegs eine besondere Eilbedürftigkeit bei den anstehenden Fällen zu erkennen oder von der Ausländerbehörde geltend gemacht worden. Die Stadt Augsburg hat dem Gericht signalisiert, daß man mit weiteren Schritten bis zur Gerichtsentscheidung warten werde.

Die Erklärungen der Staatsregierung und der CSU stoßen bei den Oppositionsparteien zum Teil auf harsche Kritik. Die Gefahr von Folter und Todesstrafe als Abschiebungshindernisse sieht die CSU-Fraktion nicht. In den Augen der Abgeordneten Elisabeth Köhler (Grüne) heizt der bayerische Innenminister Günther Beckstein, und mit ihm die CSU, die Stimmung auf unzulässige Weise an, wenn die Gefahren im Falle einer Abschiebung so verharmlost und „alle Kurden in Bausch und Bogen zu PKK-Sympathisanten abgestempelt“ würden. „Auf diese Weise auf dem Rücken des gesamten Volkes der Kurden Wahlkampf zu betreiben, ist menschenverachtend und demokratieunwürdig“, erklärte die Abgeordnete. Gegen die Stimmen der Opposition wurde am Donnerstag im bayerischen Landtag beschlossen, die Staatsregierung zu ersuchen, auf eine Änderung des Ausländerrechts zu drängen. Ziel dabei sollte sein, die Ausweisung für alle Fälle von Landfriedensbruch vorzuschreiben.

Köhler berichtet, die in Augsburg inhaftierten Kurden seien völlig verzweifelt, einer von ihnen habe bereits einen Selbstmordversuch unternommen. Außerdem kritisierte sie, daß seit geraumer Zeit auch bei kurdischen Asylbewerbern, die überhaupt nichts mit den Ausschreitungen zu tun hätten, Hausdurchsuchungen durchgeführt werden. Klaus Wittmann