„Ein Fakt ist erst ein Fakt, wenn er ein Fakt ist“

■ Edmund Stoiber dementiert vor dem bayerischen Landtag alle Vorwürfe in der Zwick-Affäre / Doch die Souveränität des Ministerpräsidenten ist dahin

München (taz) – Einer, der mit dem Zeigefinger reden muß, ist sich seiner Sache manchmal gar nicht so sicher. Manchmal hat man den Eindruck, der Zeigefinger sei der wichtigste Körperteil von Edmund Stoiber. Auch vor dem Landtag wird er bei der Regierungserklärung eingesetzt. Er ersetzt wohl auch den Augenschein, der Finger, denn wenn Stoiber zur Opposition spricht, schaut der Zeigefinger Richtung SPD und Grüne, der Kopf zur CSU.

Selbst der Segen des Papstes, den er am Vortage besucht hatte, scheint dem bayerischen Ministerpräsidenten, der sonst so souverän wirkt, wenig geholfen zu haben. Ein sich im Detail verfasernder Stoiber steht da am Rednerpult, dementiert alle Vorwürfe und schiebt den Anlaß des Tages in gewohnter CSU-Manier auf eine „konzertierte Aktion“, eine „perfide Diffamierungskampagne“, „schäbige Inszenierung“ der Presse und ein „politisches Schmierentheater“.

„Als Leiter der Staatskanzlei hatte ich von einer beabsichtigten Niederschlagung der Steuerschuld Zwicks keine Kenntnis“, so Stoiber, er habe nur fünf Seiten der 168 Seiten starken Zwick-Akte gekannt. Und er bleibt dabei: „Ich habe zum Steuerfall Zwick weder etwas veranlaßt noch etwas verhindert.“ Auch habe er nicht „rechtswidrig gehandelt“. Dies war seine persönlichste Aussage.

Kein Wort dazu, was er sich bei der Abzeichnung der Akten gedacht hatte. Kein Wort dazu, daß er die letzte Akte ausgerechnet am Feiertag Allerheiligen (1.11.1987) abgezeichnet hat – kurz bevor die Staatskanzlei im November 1987 den Fall abschloß. Ein Tag also, an dem der penible Aktenkenner zu Hause gewesen sein muß oder im Büro Zeit zum Nachdenken gehabt haben muß.

„Sie können inszenieren, was sie wollen: Wir sind stolz auf die Leistung von Franz Josef Strauß. Die CSU braucht sich ihrer Vergangenheit nicht zu schämen“, beschwört der Strauß-Freund. Den Übervater nahm Stoiber gleich mit in Schutz: „Franz Josef Strauß mag aus Freundschaft bis an die Grenze gegangen sein, die ihm durch Amt und Recht gezogen waren.“ Überschritten habe er sie natürlich nicht. Schließlich dürfe sich jeder Bürger mit einer Petition an den Regierungschef wenden. Die Zwick-Intervention als Petition eines Bürgers? „Natürlich“, räumt Stoiber ein, „hat die persönliche Verbundenheit des Ministerpräsidenten zur Familie Zwick eine besondere Rolle gespielt.“

Alois Glück, CSU-Fraktionsvorsitzender im bayerischen Landtag, behauptet anschließend nochmals, daß niemand rechtswidrig gehandelt habe. Und beglückt die Zuhörer mit dem Satz: „Fakten sind erst Fakten, wenn sie Fakten sind.“ Lange schüttelt ihm Stoiber nach der Rede dankbar die Hand.

„Wir beharren auf voller Aufklärung. Was wir von ihnen erwarten, ist, daß sie mit den Negativseiten der Strauß-Ära tatsächlich brechen wollen“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Albert Schmid. „Irgendwo überschneiden sich die Aussagen in sehr diffuser Weise“, meint Grünen-Sprecherin Ruth Paulig, „die Sachlage Zwick ist verzwickter, als es ihnen recht ist.“ Bei den Oppositionsansprachen hört Edmund Stoiber mit nach vorne hängenden Schultern zu, den Zeigefinger irgendwo unterm Pult in den Händen versteckt. Corinna Emundts