Auf der Jagd nach Freiern

■ Gesichter der Großstadt: Die Detektivin Paula A. notiert rund um die Kurfürstenstraße die Autonummern von Freiern / "Ich möchte einen sauberen Kiez"

Briefmarken sammeln oder Schmetterlinge jagen – so ein langweiliges Hobby käme für die kleine Frau mit dem straffen Haardutt niemals in Frage. Paula A. sammelt zwar auch, aber keine gelbschillernden Zitronenfalter oder die blaue Mauritius. Fast täglich schlendert sie zu ihrem „Jagdrevier“ nur einige Meter von ihrer Wohnung entfernt. Dort marschiert sie ganz langsam die Straßen auf und ab, mit drohender Miene und ihren „Waffen“ in der Hand: einem Kugelschreiber und alten Briefumschlägen als Schmierpapier. Manchmal ist Paula A. vier Stunden unterwegs, manchmal nur 20 Minuten. Wenn sie dann wieder nach Hause zu „Vati“, ihrem Mann, kommt, wird gemeinsam Bestandsaufnahme gemacht: An guten Tagen sind es bis zu zehn „Neue“, an schlechten auch mal keiner.

Paula A. sammelt Autonummern. Autonummern von Freiern, die täglich im Schneckentempo den Straßenstrich rund um die Kurfürstenstraße nach Frauen absuchen. Paula A. haßt die Freier – „das sind die Döfsten von den Doofen, weil die es immer ohne Gummi wollen“ –, haßt die Prostituierten, die sich mit dem Straßenstrich den nächsten Schuß verdienen und ihre Spritzen auf die Spielplätze werfen, haßt die Zuhälter, die entweder in den Eckkneipen oder im eigenen Auto jeden Schritt der Frauen verfolgen. Paula A. möchte wieder einen „sauberen“ Kiez, ohne Prostitution und Drogen. Deshalb notiert sie alle Wagennummern von Freiern mit Uhrzeit und Straßenangabe und sammelt sie auf ihren Schmierzetteln – „Ich bin eine echte Grüne“ –, fein säuberlich in verschiedene Kategorien eingeteilt. „N.“ hinter der Nummer bedeutet beispielsweise „Nutte ins Auto eingestiegen“. Und mit dieser Einschüchterungstaktik hat sie manchmal sogar Erfolg: Einige Freier kennen sie nach über acht Jahren Recherche und fahren mit wütendem Blick schnell weiter, wenn sie Paula A. am Straßenrand stehen sehen.

Seit Anfang des Jahres hat die über 60jährige, die ihr genaues Alter nicht nennen will, einen Detektivschein. In einigen Wochen möchte sie flächendeckend in Zeitungen und an Litfaßsäulen inserieren. Ihr Motto: „Frauen, Mädchen, Bräute, wenn Ihr wissen wollt, wo eure Männer nach Dienstschluß sind oder sich Krankheiten holen, dann könnt Ihr mich postlagernd anschreiben.“ Detektivin sei sie aber nicht wegen des Geldes geworden – „Ich nehme den niedrigsten Satz“ –, sondern aus „reiner Nächstenliebe“, wie sie mit strenger Miene versichert.

Wie eine durchgeknallte Einzelgängerin wirkt die energische Frau mit der unauffällig eleganten Kleidung aber nicht. Rund 900 Unterschriften hat sie bereits in ihrem Kiez für die Errichtung eines Sperrbezirks gesammelt. Treppauf, treppab sei sie gelaufen, um die Leute von ihrem Vorhaben zu überzeugen, und fast alle hätten unterschrieben, „außer ein paar Alternative und ein pensionierter Polizeibeamter, der mich angeschnauzt hat“. Paula A. möchte, daß der Strich an die Straße des 17.Juni verlagert wird, denn gegen Prostitution an sich sei sie ja eigentlich gar nicht. Das habe sie auch schon dem Bezirksamt und den Parteien im Abgeordnetenhaus nahegelegt, aber genützt hat ihre Hartnäckigkeit bisher wenig. „Ein Politiker hat den 17.Juni abgelehnt, weil da doch immer der Bundespräsident langfährt.“ Das sei doch nun aber wirklich kein Argument: „Politiker reden doch eh nur blabla.“ Außerdem könnten die Stricherinnen dann ja auch eine Pause einlegen, „die brauchen doch auch Freizeit“.

Als „Erfolg“ verbucht die aufdringliche Freier-Jägerin für sich, daß sie auf der Lützowstraße Ausländerinnen vertrieben hat. Die Polizei habe die Frauen mitgenommen und abgeschoben, weil „die hier doch gar nicht arbeiten dürfen“. Und, so droht sie mit funkelnden Augen, wenn da noch einmal Ausländerinnen auftauchten, werde sie eine Wachschutzfirma engagieren, um sie zu vertreiben.

Genauso wie die Prostituierten, Freier und Politiker haßt Paula A. die Polizei. Obwohl laut Strafgesetzbuch die „jugendgefährdende Prostitution“ in der Nähe einer Schule verboten sei, würde die Polizei diese genauso wie in allen anderen Straßenzügen tolerieren, klagt sie. Am liebsten würde sie deshalb den zuständigen Polizeiabschnittsleiter „wegen Untätigkeit im Amt“ verklagen. Aber bisher kenne sie keinen Rechtsanwalt, der sich das zutraue. Bis sie den gefunden hat, wird Paula A. deshalb zur Selbsthilfe greifen, indem sie Autonummern notiert und Prostituierte vertreibt. Denn wenn sie als Steinbock-Frau etwas mache, so Paula A., „dann richtig“. Julia Naumann