Mehr Mäuse für die Läusepensionen

■ Bis heute gibt es keine einheitlichen Standards für die Unterbringung von Wohnungslosen / Im Haus der Kirche wurden langfristige Strategien erörtert / Mietverträge als Finderlohn / Bauämter sind gefordert

Läuse, Kakerlaken und Krätze erwarten die Gäste. In manchen Pensionen ziehen es die Bewohner nach einer Nacht dann auch vor, auf der Straße zu schlafen. In solchen Pensionen werden Wohnungslose vom Senat oder Bezirksämtern untergebracht. Es gibt auch bessere Unterkünfte für diese Klientel – doch die haben ihren Preis. Zwischen 20 und 100 Mark kostet ein Bett pro Nacht. Eine Sozialwohnung wäre oft billiger.

„Keine Millionen für Läusepensionen“ lautete das Motto einer Podiumsdiskussion am Freitag abend im Haus der Kirche. Dem widersprach Professor Otto Schlosser von der Alice-Salomon- Fachhochschule. Es sei sogar damit zu rechnen, daß immer mehr Geld für die Unterbringung Wohnungsloser ausgegeben werden muß. „Ich habe gar nichts dagegen, daß dabei verdient wird“, sagte Schlosser. Doch müßten dafür menschenwürdige Unterkünfte geschaffen werden. Maßstab sollten die Wünsche der Betroffenen sein. Und die wollen meist eine Wohnung oder zumindest ein Zimmer für sich allein, geht aus verschiedenen Umfragen hervor.

„Bis heute gibt es keine einheitlichen Standards für die Unterbringung Wohnungsloser“, monierte Susanne Gerull von der sozialen Wohnungsarbeit in Mitte. Eine Wunschliste aus dem Jahr 1988 stellt Kriterien auf, die sich auf die Größe des Wohnraums, die Anzahl der Duschen und Kochgelegenheiten beziehen. Doch bis heute hat jeder Bezirk seine eigenen Richtlinien. Deren Einhaltung kann oft nicht nachgeprüft werden, weil das Personal fehlt.

„Wenn ich morgen eine Garage eröffnen würde mit fünf Betten, ich hätte die in einer Woche voll“, sagt Wilhelm Pleß, Geschäftsführer des privaten Wohnheimbetreibers Sorat. Seine Firma schließe mit jedem Bezirksamt einen Vertrag ab, in dem der Bezirk seine Wünsche anmeldete. Danach richte sich die Firma beim Umbau, und danach richte sich dann auch der Preis. Darin seien Immobilienkosten wie Miete und Personal inbegriffen. „Nur drei Prozent des Nettobetrages ist unser Profit“, sagte Pleß.

Hier fange seine Arbeit erst an, konterte Hans-Werner Bischof, Pensionsbegeher im Bezirksamt Charlottenburg. Er prüft auch die vorgelegten Kalkulationen darauf, ob steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten aufgeführt und die Gehälter realistisch sind. „Allein dadurch haben wir 1993 eine Viertelmillion Mark eingespart.“

Mit all dem wird jedoch nur der Mißstand verwaltet und Schadensbegrenzung betrieben, waren sich die Teilnehmer einig. Langfristige Strategien seien notwendig. „Da müssen auch Gesetzesänderungen her, etwa im Mietrecht“, so Günter Wahrheit, Sozialamtsleiter in Kreuzberg. Es könne nicht sein, daß jemand, der seine Miete zahlt, gekündigt werden darf, nur weil er dies nicht regelmäßig mache. Die Bauämter seien gefordert, wenn es um die Zweckentfremdung von Wohnraum gehe.

Wahrheit plädierte auch für mehr Mut zu unkonventionellen Lösungen. Aus dem Publikum kam der Vorschlag, obdachlose Handwerker mit der Instandsetzung von leerstehenden Wohnungen zu beauftragen. Zumindest während sie renovieren, sollten sie dort auch wohnen dürfen. Genauso sollte es möglich sein, Mietverträge als „Finderlohn“ für diejenigen auszusetzen, die leerstehende Wohnungen aufspüren.

Schlosser forderte, dem Beispiel der Städte Osnabrück und Köln zu folgen, in denen die Stadt das Belegungsrecht für ganze Neubauten erworben habe und diese zu realistischen Mieten Wohnungslosen zur Verfügung stellt. Das „geschützte Segment“ in Berlin sei ein Schritt in die richtige Richtung. Senat und Wohnungsbaugesellschaften hatten im letzten Jahr vereinbart, jährlich 2.000 Wohnungen für Wohnungslose zu reservieren. Auch die Bezirke sollten sich in den Altbaubestand einkaufen und diesen als Wohnraum bewirtschaften. Corinna Raupach