Nach Abschiebung halb totgeprügelt

Aus Sachsen abgeschobene kurdische Familie bestätigt im Telefongespräch Folter in Istanbuler Gefängnis / Sächsisches Innenministerium soll die Familie aus der Türkei zurückholen  ■ Von Detlef Krell

Dresden (taz) – In der Türkei werden abgeschobene KurdInnen gefoltert. Am Wochenende bestätigten sich Informationen über die Folterungen einer aus Sachsen abgeschobenen kurdischen Familie durch türkische Behörden. Lothar Hermes, Sprecher des Sächsischen Flüchtlingsrates, hatte Gelegenheit, mit der versteckt lebenden Zübeyde Cetin zu sprechen. Sie erklärte, daß nicht nur, wie bisher bekannt geworden, ihr Mann Ramazan, sondern auch sie selbst in einem Istanbuler Gefängnis mißhandelt wurde. Zübeyde Cetin sei mit Stöcken geschlagen, ihr Mann mit Elektroschocks gefoltert worden. Außerdem habe er Stockschläge auf den Rücken und den Bauch bekommen, bis er „halbtot“ war.

In einem Telefongespräch mit der Sächsischen Zeitung konnte Ramazan Cetin seine Abschiebung und die Ankunft in der Türkei darstellen. Er sei von deutschen Polizisten in Zivil bis nach Istanbul gebracht worden: „Ich habe sie gebeten, daß sie uns helfen, damit die türkische Polizei uns nicht inhaftieren und foltern kann.“ Während der Paßkontrolle sei das Ehepaar mit seinen fünf Kindern festgenommen worden. Nachdem Ramazan in der Haft zehn Minuten lang mit einem Elektro-Schlagstock geprügelt worden war, drohten die Behörden: „Wenn du das jemandem erzählst, schlagen wir dich tot.“ Die Behörden wollten wissen, warum er in Deutschland Asyl beantragt habe und wie er die PKK unterstütze. Er habe darauf geantwortet, daß er die PKK überhaupt nicht unterstütze. Die siebenköpfige Familie halte sich jetzt in einem „kaputten, unbewohnten Haus“ versteckt. Ihre Freilassung führt sie auf Berichte in der deutschen Presse zurück.

1991 hatten Cetins den Asylantrag in der Bundesrepublik gestellt. Zuerst waren sie im Flüchtlingsheim in Hoyerswerda untergebracht worden. In der gleichen Nacht, als Zübeyde Cetin ihr fünftes Kind zur Welt brachte, tobte in der Stadt das Pogrom gegen Ausländer. Mit anderen Asylsuchenden kam die kurdische Familie nach Pirna, wo sie bis zum 6. April dieses Jahres lebte. Am 17. März hatte sie den Ablehnungsbescheid ihres Asylantrages erhalten. Wie bereits berichtet (taz vom 16.4.1994), wurde die Familie noch vor Ablauf der Einspruchsfrist durch die Zentrale Ausländerbehörde Chemnitz zur Ausreise gezwungen.

Lothar Hermes forderte unmittelbar nach dem Telefonat mit Frau Cetin das Sächsische Innenministerium auf, über das Auswärtige Amt die Familie nach Deutschland zurückzuholen. Gegen die Ausländerbehörde will Hermes Strafanzeige wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung stellen. Aus dem Regierungspräsidium Chemnitz verlautete, daß weder von der Familie noch vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge oder vom Bundesgrenzschutz Hinweise auf eventuell zu erwartende Folter gekommen seien.

Sachsens Innenminister Heinz Eggert (CDU) hatte am Wochenende noch „größte Zweifel“ an den Berichten über Verhaftung und Folter des Ehepaars Cetin geäußert. Sollten sich die Berichte allerdings bestätigen, so Eggert in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Associated Press, „dann muß die gesamte Diskussion um die Kurden in Deutschland neu geführt werden.“