■ Kirchenasyl macht Schule
: Das Engagement der Sankt-Sebastians-Gemeinde im bayerischen Gilching für eine von Abschiebung bedrohte kurdische Familie ist kein Einzelfall. Während Politiker, allen voran Bayerns Innenminister Beckstein, die...

Das Engagement der Sankt-Sebastians-Gemeinde

im bayerischen Gilching für eine von Abschiebung bedrohte kurdische Familie ist kein Einzelfall. Während Politiker, allen voran Bayerns Innenminister Beckstein, die Gewährung von Asyl in der Kirche als Rechtsmißbrauch geißeln, beteuern Gottesfürchtige, Kirchenasyl breche kein Recht, sondern verschaffe ihm erst Geltung.

Kirchenasyl macht Schule

Mäßig fromme Gedanken kreisen unterm Jesuskreuz der Sankt- Sebastians-Kirche im oberbayerischen Gilching. Die Rede ist von „zivilem Ungehorsam“ und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Diakon Heiner Bullinger ergreift das Wort, ermahnt die Anwesenden eindringlich zu „gewaltlosem Handeln“. Irgendwie mutet das Ganze schon eigentümlich an, wenn brave Bürgersleut' in den Andachtsräumen einer katholischen Pfarrei nach dem Gebet ihre Wehrhaftigkeit erörtern – und ein Mann der Kirche darob um Maßhalten bitten muß.

Einige Wochen ist es erst her, da wütete in der Gemeinde Wörthsee im Landkreis Starnberg der Bürgerzorn, gingen die Menschen auf die Straße und stritten für die Asyl- Verlängerung einer kurdischen Familie. Nun ringen sie im Nachbardorf um das Bleiberecht einer weiteren. Was manch einem im Freistaat insofern argen Verdruß bereitet, da jetzt auch noch der Klerus mit den Aufständischen paktiert: In der Sankt-Sebastians- Kirche gewährt Diakon Bullinger dem Ehepaar Elif und Hüseyin Sapkiran und ihrer einjährigen Tochter Eva-Behir Kirchenasyl. Seit dem 6. April, dem Tag der geplanten Abschiebung, weilt die Familie im Schutze des Gotteshauses, derweil sich die Organisatoren der Aktion (Pro Asyl, Pax Christi und andere) um sie kümmern.

Die Behörden haben sie mit dem Kirchenasyl hübsch in die Bredoullie manövriert. So stellte zwar Bayerns Innenminister Günther Beckstein finster fest, die Kirche sei „kein rechtsfreier Raum“ und das bedeutete mithin, daß die Polizei jederzeit die Abschiebung vollziehen könne. Andererseits ahnt der CSU-Mann wohl, daß die Sache so einfach nicht ist, weil es ja doch ein bißchen komisch ankommen könnte beim gottesfürchtigen Parteivolk auf dem Lande, ließe ein christsozialer Politiker im erzkatholischen Oberbayern eine katholische Pfarrei räumen.

Im Starnberger Landratsamt reifte jedenfalls schnell der Entschluß, die Abschiebefrist so lange hinauszuschieben, bis das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf entschieden hat, ob es den Asylfolgeantrag von Sapkiran annehmen wird. „Offensichtlich unbegründet“ hat die Asylbehörde unter seinem ersten Antrag vermerkt, obwohl dem 26jährigen bei einer Rückkehr in die Türkei die Verhaftung droht. Schon früher wurde er, angeblich wegen Unterstützung der kurdischen Arbeiterpartei PKK, verfolgt und gefoltert. Er türmte in den Irak, wurde jedoch nach achtmonatiger Gefangenschaft ausgeliefert. Abermals landete er in der Folter. Als die türkischen Behörden 1992 erneut einen Haftbefehl gegen ihn aussprachen, floh Sapkiran nach Deutschland.

Durch ein vergittertes Fenster im Kirchenkeller können die Sapkirans die Freiheit sehen, betreten dürfen sie sie nicht. Zu groß ist die Sorge, die Polizei könnte zupacken, so wie vor vier Jahren, als in Gerolzhofen eine türkische Familie abgegriffen und abgeschoben wurde, obschon ihr eine Asylfristverlängerung zugebilligt worden war. Dieselbe Familie wurde in der Türkei in Dunkelhaft genommen und mißhandelt. Daher ist es verständlich, wenn sie in Gilching eingedenk solcher Fakten nur den Kopf schütteln über die Beteuerungen des Innenministeriums, man werde dafür Sorge tragen, daß den Sapkirans nach ihrer Abschiebung nichts zustoße.

Dennoch muß sich die Kirchenasyl-Initiative allerlei Beschimpfungen anhören. Da wähnt der örtliche CSU-Landtagskandidat Peter Gröber die Unterminierung des bayerischen Asylstandpunktes und raunt, es existierten nun mal „unvermeidliche Härten im Rechtsstaat“. Und es sei „ein leichtes, sich hinzustellen und Menschen zu beschützen, ohne die Folgen zu übernehmen“. Da grollt auf Einladung des Gilchinger CSU- Ortsverbandes Innenminister Beckstein, es sei „inhuman“, Kurden „ihrer Heimat zu entfremden“. Zumal es schließlich auch so sei, „daß die Mehrheit unserer Bürger erwartet, daß wir den Wohlstand schützen“. Einige dieser Bürger haben nun angerufen in der Pfarrei und gesagt, „was kümmert ihr euch um das Ausländergeschmeiß, das bringt doch nichts ein“. Seither bleiben die Türen zu den Asyl-Räumen geschlossen, und die Nachtwachen übernehmen vornehmlich Männer.

So manche Äußerung Becksteins kündet derweil von unnachgiebiger Härte. Zu dem bestehenden Haftbefehl der türkischen Behörden gegen den Kurden meinte er, das Papier sei „offenkundig gefälscht“. Auch kursiert das Gerücht, der Asylfolgeantrag werde nicht berücksichtigt. Dann könnte alles ganz schnell gehen. Wobei es den Innenminister nicht zur Eile drängt. „Im Fall Sapkiran“, sagte er, kommt es auf einige Tage und Wochen nicht an.“ Gerhard Pfeil, Gilching