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Reine Mütter-WG

■ Hamburgs Fledermäuse: schön, originell und leider fast schon ohne Lebensraum Von Birgit Hoyer

„Ich mache mir große Sorgen, wo er jetzt bleibt.“ „Er“ ist ein Breitflügelfledermausmännchen, das bisher in einer hohlen Birke im Volkspark hauste. Doch die fiel den Winterstürmen zum Opfer, und Werner Smolnik, Altonaer Fledermausbeauftragter beim Naturschutzbund, der das possierliche Kerlchen seit sieben Jahren quasi „persönlich“ kennt, befürchtet Schlimmes. Denn Fledermäuse sind Gewohnheitstiere und hängen gern in angestammten Quartieren. Werden die zerstört, durch Naturgewalt oder menschliche Aktivität, sind die charmanten Hautflügler in ihrer Existenz bedroht.

Für Werner Smolnik ist es längst kurz vor zwölf. Von den 22 Fledermausarten, die im Bundesgebiet zu finden sind, haben im Raum Hamburg gerade mal vier überlebt. Das liegt, sagt der Fledermausfreund, hauptsächlich am Menschen. So werden durch Wärmedämmung Häuser-Spalten und -Ritzen, die den Flugmäusen als Wohnung dienen, verstopft; hohle Bäume, die einzige Heimstatt, in der sich der „Abendsegler“ wohlfühlt, werden abgeholzt, Höhlen oder Bauruinen gibt es kaum noch. Und auch die Nahrung wird zunehmend zum Problem: Immerhin 700 Mücken pro Nacht sind nötig, um die gut hummelgroße „Zwergfledermaus“ mit dem nötigen Eiweiß zu versorgen.

Diese nicht zuletzt durch Pestizide verursachte Nahrungsknappheit ist ein Grund für die relativ hohe Sterblichkeit der Jungtiere. Und das, obwohl Fledermausmütter ausgesprochen fürsorglich sind. Ende April, wenn die Temperaturen steigen und vor allem die Mücken zu schwärmen beginnen, erwachen die Nachttiere aus ihrem Winterschlaf. Dann richten die Weibchen ihre „Wochenstuben“ ein - Männer müssen draußen bleiben -, um gemeinsam und energiesparend ihre Jungen aufzuziehen. Die frischgeschlüpften Winzlinge - gerade mal fünf Gramm bringt etwa das Junge eines Abendseglers auf die Briefwaage - zeichnen sich durch ein gut entwickeltes Milchgebiß mit sehr spitzen Zähnchen und kräftige Fußkrallen aus. Die sind auch nötig, denn Fledermausbabys müssen schon in der ersten Nacht nach ihrer Geburt allein zu Hause bleiben, während die Mutter auf Jagd ausfliegt. In vier bis sechs Wochen, je nach Art, sind die Jungtiere flügge.

Wenn alles gutgeht. Eine Voraussetzung ist die sichere Behausung, und hier ist, appelliert Smolnik, menschliche Mithilfe gefragt: Das heißt zum Beispiel, einen kränklichen Baum im Garten nicht gleich abzuholzen oder im ungenutzten - frostfreien! - Dachboden ein Schlupfloch zu lassen.

Hilfe bei „fledermäuslichen Problemen“ leistet übrigens der Naturschutzbund,derdafür verschiedene Telefonanschlüsse eingerichtet hat: 604 90 44 (Bereich Nord-Ost), 85 65 51 (Altona-Mitte), 89 18 23 (West und rundum). Dort kann sich auch Rat holen, wer sich um ein verletztes Tier kümmern will. So wie Werner Smolnik. Dessen zweijähriger Breitflügelmäuserich, der ausgehungert und mit einem gebrochenen Flügel bei ihm eingeliefert wurde, befindet sich bereits auf dem Weg zur Besserung und freut sich, berichtet Smolnik, jeden Tag auf seine Turnübungen, mit denen sein Pfleger vorsichtig versucht, die alte Beweglichkeit des Flügels wieder herzustellen. Ob der kleine Kerl es allerdings schafft, wieder ins „freie Leben“ zurückzukehren und sich selbst Nahrung zu besorgen, ist noch nicht klar. Doch sicher ist: Werner Smolnik wird ihn nicht verhungern lassen.

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