Pathologe soll abtreten

■ Kreuzberger Bezirksamt hält Handel mit Hirnhäuten am Urbankrankenhaus und "schwarze Kassen" für untragbar

Das Bezirksamt Kreuzberg hat sich gestern für die Abberufung des Chefpathologen am Urbankrankenhaus ausgesprochen, dem der illegale Verkauf von Hirnhäuten vorgeworfen wird. Die BezirkspolitikerInnen beanstandeten einen Beschluß der Krankenhauskonferenz vom 7. April, die gegen die Abberufung von Kurt Merkel gestimmt hatte. Nun muß sich dieses Gremium erneut mit der Frage befassen. Falls es eine Abberufung des Arztes erneut ablehnt, kann das Bezirksamt die Entscheidung an sich ziehen.

Die BezirkspolitikerInnen kritisierten gestern, daß „der Verdacht rechtswidrigen Handelns und schwarzer Kassen“ für einen Chefarzt „untragbar“ sei. Der Beschluß der Krankenhauskonferenz war im Bezirksamt und auch in der Senatsverwaltung für Gesundheit auf Unverständnis gestoßen, da wegen derselben Vorwürfe am Virchow- Krankenhaus zwei Sektionsgehilfen entlassen wurden. Falls Merkel abberufen wird, würde er seiner Funktion als Chefarzt enthoben, die Entscheidung über seine Entlassung liegt aber bei der Krankenhausleitung. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen Merkel und die Sektionsgehilfen.

Dem Chefpathologen am Urbankrankenhaus wird vorgeworfen zwischen 1986 und Juni 1992 Hirnhäute entnommen und an das hessische Pharmaunternehmen Braun Melsungen AG verkauft zu haben. Der Erlös in Höhe von 14.000 Mark floß nach bisherigen Erkenntnissen auf drei Sonderkonten, bei denen es sich nicht um offizielle Konten des Krankenhauses handelt. Von dem Geld sollen Fachliteratur, eine Mikrowelle für das Labor, ein Fax und ein Aktenvernichtungsgerät gekauft worden sein. Da die Geräte kaum ohne Wissen der Verwaltungsleitung gekauft worden sein können, liegt nahe, daß diese von dem Organhandel gewußt hat. Es gibt auch Anhaltspunkte dafür, daß die Krankenhausleitung im Bilde war. Der ehemalige ärztliche Leiter Dr. Weißbach soll Merkel darauf hingewiesen haben, daß eine kommerzielle Verwertung von Organteilen nicht erlaubt sei, erklärte die Kreuzberger Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer (SPD).

Wie der Abgeordnete Bernd Köppl (Bündnis 90/Die Grünen) erläuterte, erzielen Pharmaunternehmen beim Verkauf von Hirnhäuten enorme Profite. Eine Hirnhaut werde längs in drei Teile gespalten, jedes dieser Implantate koste zwischen 300 und 1.000 Mark. Damit werde das Zehnfache des Einkaufspreises eingenommen. Hirnhaut-Implantate werden beispielsweise bei Babys eingesetzt, die mit einem offenen Rücken zur Welt kommen. Die damit abgedeckten Stellen wachsen dann besser zu. win