Wiener Bombenspur führt nach Berlin

■ Österreichische Briefbomben: Interpol sucht Ostberliner Neonazi / Berliner Staatsschutz äußert sich nicht zu dem Fall

Die Spur der österreichischen Briefbombenattentate, bei denen im Dezember letzten Jahres fünf Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, führt offenbar nach Berlin. Nach einem Bericht des in Wien erscheinenden Nachrichtenmagazins Profil soll einer der mutmaßlichen Beteiligten der Ostberliner Bendix W. sein. Das österreichische Innenministerium bestätigte gestern auf Anfrage der taz, daß Interpol über die deutschen Behörden nach dem untergetauchten 27jährigen Schlosser fahndet.

Der Sprecher des Bundeskriminalamts, Günther Haiber, erklärte hingegen gestern: „Bei uns ist über eine Fahndung nichts bekannt.“ Es sei bislang auch nicht belegbar, daß die Briefbomben in Zusammenhang mit der deutschen Neonazi- Szene gebracht werden könnten.

Die Sprecherin der Wiener Behörde, Cornelia Zoppoth, versicherte, man sei in Zusammenarbeit mit einer Beamtin des Bundeskriminalamtes (BKA), die im vergangenen Jahr für zwei Wochen von Wiesbaden nach Wien geschickt wurde, auf „die deutsche Spur gekommen“. Laut Zoppoth wird neben Bendix W. auch Peter N. aus Wiesbaden der Mittäterschaft verdächtigt. N., der wegen der Planung eines Bombenattentats in Südtirol 1988 vom Oberlandesgericht Frankfurt zu einer viereinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt und 1990 vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wurde, steht nach Informationen des Wiener Ministeriums offenbar nicht auf der Fahndungsliste.

Nach dem Bericht von Profil kamen die bundesdeutschen Behörden und die Fahnder der österreichischen „Einsatzgruppe zur Terrorismusbekämpfung“ (EBT) über das abgehörte Telefon des Österreichers Peter Binder auf die Spur nach Berlin. Binder gilt, zusammen mit zwei weiteren in Haft sitzenden Österreichern, als einer der mutmaßlichen Drahtzieher der Briefbombenserie im Dezember. Nur zwei Tage nach seiner Festnahme soll sich laut Profil bei Frau Binder ein „Dr. Vanda“ aus Berlin nach dem Verbleib ihres Mannes erkundigt haben. Als Frau Binder ihm von seiner Verhaftung berichtete, sei „Dr. Vanda“ nervös geworden und habe gesagt, er müsse jetzt verschwinden. Hinter „Vanda“ steckt nach Angaben des Nachrichtenmagazins Bendix W. Für seine Enttarnung soll vor Jahren der mittlerweile aus der Neonazi-Szene ausgestiegene Ostberliner Ingo Hasselbach gesorgt haben, der entsprechende Aussagen gegenüber der Polizei machte. „Dr. Vanda“, so das Nachrichtenmagazin weiter, sei eine Ableitung aus dem Namen der Berliner Nazi- Rocker-Bande „Die Vandalen“, deren Anführer der Berliner Rechtsextremist Arnulf-Winfried Priem ist.

Über den ehemaligen Berliner Chef der mittlerweile verbotenen „Deutschen Alternative“ (DA) scheinen weitere Spuren zu Binder zu führen. Als der österreichische Elektroingenieur kurz nach den ersten Attentaten auf dem Weg nach Berlin in Tschechien festgenommen wurde, staunten die Behörden nicht schlecht: In seinem Audi 80 fanden sich neben fünfzehn Schrotflinten aus russischer Fabrikation auch diverse Chemikalien, die zur Herstellung von Nitroglyzerin geeignet sind und möglicherweise zum Bau der Briefbomben benutzt wurden. Außerdem fielen den österreichischen Behörden auch Unterlagen in die Hände, in denen die Berliner Adresse von Arnulf-Winfried Priem auftaucht.

Priem erklärte gestern gegenüber der taz, er habe mit W. lediglich „zufälligen Kontakt“ gehabt. Binder sei ihm nur „oberflächlich bekannt“. Er bestätigte allerdings, daß er W. aus der Zeit der Weitlingstraße 122 kenne. Das Haus in Lichtenberg war im Frühjahr 1990 von Rechtsextremisten besetzt worden und diente bis zu seiner Räumung durch die Polizei als Sammelpunkt der Neonazi-Szene. Zu den Bewohnern gehörte unter anderem auch W. Nach Angaben eines Mitarbeiters des Antifaschistischen Infoblattes war der 27jährige Ostberliner einer der engsten Mitarbeiter von Priem. Beide hätten im Berliner Umland auf Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs nach Waffen gesucht.

Die Rolle Priems ist nach wie vor undurchsichtig. Drei Zeugen wollen ihn laut Profil zu Beginn der Bombenserie in Wien gesehen haben. Dies bestreitet Priem vehement. Er sei nie in Österreich gewesen, erklärte er gestern gegenüber der taz. Außerdem sei er zum damaligen Zeitpunkt von der Berliner Polizei stets beschattet worden. Bereits nach den ersten Meldungen über seine angebliche Mittäterschaft beschwerte er sich nach eigenen Aussagen telefonisch in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember beim Berliner Staatsschutz. In einem gemeinsam mit dem Hamburger Chef der „Nationalen Liste“, Christian Worch, formulierten Brief zitiert Priem einen Beamten der Berliner Behörde mit den Worten: „Sie müssen sich nicht bei uns beschweren, diese Ente kam aus Österreich geflogen.“ Die Berliner Polizei verweigerte gestern jegliche Stellungnahme. Severin Weiland