■ Das Portrait
: Tayyip Erdogan

Islamist und Fußballer Foto: Reuter

Die erste Sitzung des neuen Istanbuler Stadtrats eröffnete Tayyip Erdogan statt mit der sonst üblichen Schweigeminute für Mustafa Kemal Atatürk mit einem Koranzitat. Seit Montag ermittelt deswegen die Staatsanwaltschaft gegen den von der islamistischen Wohlfahrtspartei (Refah Partisi) gestellten Oberbürgermeister: wegen Beleidigung des Gründers der Türkischen Republik. Der am 29. März zum Oberhaupt der größten türkischen Stadt gewählte Erdogan löste mit seinem „Vergehen“ ein am Wahltag gemachtes Versprechen ein. Seine erste Aufgabe werde sein, Dankbarkeit gegenüber Gott auszudrücken, erklärte er angesichts des Höhepunktes seiner Karriere.

Die bisherige Laufbahn des 40jährigen gebürtigen Istanbulers hat mehr weltliche den geistliche Elemente. Nach seinem Abschluß an einer religiösen Oberschule wechselte Erdogan an die Marmara-Universität, um Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Seine politische Karriere ist etwa so lang wie jene als Fußballer. 16 Jahre kickte Erdogan für verschiedene Amateur- und Proficlubs. Vom einfachen Arbeiter bei den städtischen Busbetrieben stieg er zum Privatunternehmer auf.

Anders als seine Rivalen bei den Kommunalwahlen erklomm Erdogan die Stufen der politischen Karriereleiter nacheinander. Kurz nach seinem Eintritt in die Jugendorganisation der Nationalen Heilspartei (MSP) wurde er 1975 zum Vorsitzenden in dem Stadtbezirk Beyoglu gewählt. Ein Jahr später war er Chef des gesamten Istanbuler Jugendverbands der Partei. Als die türkischen Generäle die MSP 1980 verboten, setzte Erdogan seine Karriere unter dem Dach der Refah fort. Während der Parlamentswahlen im Jahr 1989 versuchte er für seine Partei Stimmen zu fangen, indem er durch die Meyhane, die Istanbuler Kneipen, zog. Zwar fand er unter dem dort versammelten trinkfreudigen Teil der türkischen Gesellschaft nur wenige Freunde der islamistischen Sache, jedoch war Erdogans Name plötzlich in aller Munde.

Nach Erdogans Weltsicht sind Frauen per se schutzbedürftige Wesen, die vor den Härten des Lebens behütet werden müssen. Die von dem Islamisten angepeilten „Reformen“ lassen erahnen, daß diese Widrigkeiten irgendwie von Männern ausgehen müssen. So kündige der Oberbürgermeister die Einrichtung von getrennten Schulbussen für Jungen und Mädchen und die Etablierung von Badestränden nur für Frauen an. Nükte Devrim