Rühe nach „Handstreich“ auf dem Rückzug

■ Dürfen's ein paar Mann weniger sein? Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) provoziert einen Koalitionsstreit um die zukünftige Personalstärke der Bundeswehr

Berlin (taz/AFP/dpa) – Was der Herr der Hardthöhe lediglich als „Diskussionsanstoß“ verstanden hatte, führt jetzt in Bonn zu einem Koalitionsstreit: Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) wollte seine Pläne zur Verkleinerung der Bundeswehr verkünden, ohne sie zuvor mit der Koalition zu besprechen. Auf Druck von FDP und Union verschob Rühe nun die für heute geplante Veröffentlichung seiner „Konzeptionellen Leitlinien“ für die Truppe um eine Woche. Rühe wollte vorschlagen, die Streitkräfte von 370.000 auf 340.000 Mann zu reduzieren und die Wehrpflicht von zwölf auf zehn Monate zu verkürzen.

Außenminister Klaus Kinkel (FDP) beharrt jedoch darauf, die Zahl von 370.000 Soldaten als Sollstärke festzulegen. Der liberale Wehrexperte Jürgen Kopplin wirft Rühe vor, unter keinem Verteidigungsminister habe es „so viel Unruhe in der Bundeswehr und Konzeptionslosigkeit“ gegeben. Koppelin erinnerte Rühe an seine Aussagen vom Oktober: Wehrdienst von zwölf Monaten und 370.000 Mann. Noch im vor drei Wochen vorgelegten Weißbuch sei von dieser Zahl ausgegangen worden.

Auch von seiten der CSU mußte Rühe Kritik einstecken. Wichtige Dinge wie die Zukunft der Streitkräfte müßten zunächst zwischen den Regierungsparteien besprochen werden, sagte der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Michael Glos.

Der Verteidigungsminister verwies zur Begründung seiner Pläne auf die Kürzungen im Verteidigungsetat. Die verkleinerte Bundeswehr solle so strukturiert sein, daß sie jederzeit wieder auf 370.000 Mann zu erweitern sei. Nach Ansicht Rühes stärke die Reduzierung die Truppe, weil sie dann wieder „üben und investieren“ könne.

FDP-Generalsekretär Werner Hoyer sagte im WDR, es gehe um „die Zukunft der Armee“, die auf eine möglichst breite Basis gestellt werden müsse. In jüngster Zeit habe es eine „ziemlich abenteuerliche Zahlenakrobatik-Diskussion“ über den Personalumfang der Bundeswehr und auch über die Wehrpflicht gegeben. Zunächst müsse zwischen den Regierungsparteien Einvernehmen über die künftigen Aufgaben der Armee bestehen. Daraus leite sich dann „die Frage der Quantitäten“ ab. Ex-FDP-Chef Graf Lambsdorff schloß sich der Kritik an.

Bündnis 90/Die Grünen sprachen von einem „erschreckenden Ausmaß an Konfusion und Inkompetenz“ in der Außen- und Sicherheitspolitik. Rühe habe seine Vorstellungen einer vorwiegend aus weltweit einsetzbaren Krisenreaktionskräften bestehenden Armee „handstreichartig“ durchsetzen wollen. Die Spitzen der Koalition werden sich laut Regierungssprecher Vogel in der nächsten Woche mit dem Bundeswehrstreit befassen.