Spott dem allwissenden Uncharme

■ „Example Dept. Jo Fabian“ mit „Whisky & Flags“ bei den Tanztheaterwochen auf Kampnagel

Die komplexen Schwierigkeiten einer kleinen uniformierten Tanzcompagnie bereitet der Berliner Shooting-Star Jo Fabian in seinem Stück Whisky and Flags zu einer Betrachtung über politische Standards und verinnerlichte Zwänge aus. Mit oft arg gefälliger Ironie, aber über die meiste Zeit amüsant und klug läßt Fabian die persönlichen Beziehungen zwischen vier Tänzerinnen und zwei Tänzern das beschränkte Vokabular sozialistischer Diktaturen und Szene-Jargons reflektieren.

Gefangen in dem Rahmen, eine „politische Choreografie“ zu erstellen, sabotieren die egomanischen und verzweifelten Ausbrüche einzelner die gemeinsame Aufgabe. Ist die eine Tänzerin trotzig, weil zwei andere ihre choreografische Bedeutung ignorieren und uhrwerkhaft ihre Figur tanzen, so quält sich der eine der Tänzer mit den Macken Berliner Szene-Typen: Sprachformeln und ritualisierte Zuneigungen wirken vor dem starren Konzept der demonstrationshaften Choreografie entsetzlich grotesk.

Zwischen zwei Staffetten roter Fahnen, die die Tänzer immer umtreten müssen, um auf die Bühne zu gelangen, und einer Endlosreihe aus Whisky-Flaschen persifliert das Stück sowohl den allwissenden Uncharme von sozialistischen Gesellschaftsorganisationen, als auch die Unvollkommenheit plötzlicher Freiheiten im Angebot. Dabei sind die Bewegungsmuster der Tänzer, die mit den Mitteln des Musical-Tanzes den militärischen Drill beschreiben, spannend und präzise choreografiert. Wo Gruppen wie Laibach und die Neue Slowenische Kunst die sozialistischen Rituale durch zynische Übertreibung schmerzlich ins Bewußtsein rufen, da sucht sich das Example Dept. die Lächerlichmachung.

Gleichzeitig bewahrt die Compagnie, die in Ost-Berlin ihr eigenes Theater besitzt und als einzige freie Gruppe zum diesjährigen Berliner Theatertreffen eingeladen worden ist, die Würde der persönlichen Biografie in der DDR. Bei aller Verhöhnung wird der individuelle Kern der Vergangenheit nicht denunziert. Die Unausweichlichkeit ihrer Prägung wird vielmehr zum Anlaß genommen, in Form von satirischer Selbstkritik den Bogen in die Zukunft zu spannen.

Daß diese Herangehensweise wenig in der Tiefe kramt und sich um fundamentale Konflikte nicht schert, führt zu der gewissen Leichtigkeit der Inszenierung, die wohl für den plötzlichen Erfolg der Gruppe verantwortlich ist. Till Briegleb