Helmut Kohl erinnert sich nicht

■ In der Karlsruher Verhandlung um Auslandseinsätze der Bundeswehr wirft die SPD der Regierung Abweichen von eigenen Positionen vor / Anke Fuchs fordert "Mut zum Kompromiß"

Bonn (dpa/AFP/taz) – Die Sozialdemokraten demonstrieren nun nicht nur im Bundestag, sondern auch vor dem Bundesverfassungsgericht Beweglichkeit in Grundsatzfragen deutscher Außenpolitik. Am zweiten Verhandlungstag im Verfahren um Out-of-Area- Einsätze der Bundeswehr forderte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Anke Fuchs gestern von den Politikern „Mut zum Kompromiß“ zwischen den unterschiedlichen Positionen. Eine Verfassungsänderung zur Beteiligung des Parlaments sei notwendig, um für internationale Einsätze gewappnet zu sein, sagte sie. Es gehe dabei auch darum, das Handeln der Soldaten demokratisch zu legitimieren.

Die Bundesregierung hält die Einsätze für von der Verfassung voll gedeckt. Die beiden Minister Kinkel und Rühe, die am Dienstag Grundsatzerklärungen abgegeben hatten, nahmen gestern an der Verhandlung nicht mehr teil. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul warf der Regierung vor, sie sei mit den Einsätzen in Ex-Jugoslawien und Somalia von Positionen abgewichen, die für sie noch vor kurzem Gültigkeit gehabt hätten.

Auch nach der Wende im Jahr 1982 habe es einen Konsens unter den Parteien gegeben, wonach Bundeswehreinsätze außerhalb der Nato nicht in Frage kamen. Die SPD-Politikerin zitierte dazu Äußerungen Hans-Dietrich Genschers und des Kanzlers, der noch zu Zeiten des Golf-Krieges zu dieser Haltung gestanden habe. So habe Kohl noch 1992 eine Verfassungsänderung für Bundeswehreinsätze außerhalb des Nato-Gebietes gefordert. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Ulrich Irmer verteidigte diese Aussagen mit Hinweis auf den damals noch existierenden Ost-West-Konflikt. Die alte Sowjetunion hätte nach einem Auslandseinsatz deutscher Soldaten – etwa im Golfkrieg – niemals ihre Zustimmung zur deutschen Einigung gegeben. Auch der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Kurt Schleter, wies die Vorwürfe zurück. Die von der SPD behauptete „Staatspraxis habe es nie gegeben“.

Die juristischen Experten stritten gestern vor allem um die Frage, ob die Einsätze unter den Begriff „Verteidigung“ fallen und wie dieser Begriff im Grundgesetz zu interpretieren sei. Die Regierung faßt diesen Begriff weit und hält die Beteiligung von Bundeswehrkontingenten als „Nothilfe im Rahmen kollektiver Verteidigungsbündnisse“ für gerechtfertigt (Artikel 24). Der SPD-Vertreter verwies auf Artikel 87a, wonach Streitkräfte „nur zur Verteidigung“ aufgestellt werden dürfen. Mon

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