Saar-SPD bremst Lafontaines Maulkorb-Pläne

■ Die weitgehende Einschränkung der Pressefreiheit durch Ausweitung des Rechts auf Gegendarstellung wird von sozialdemokratischer Fraktion nicht mitgetragen

Saarbrücken/Erfurt (taz/dpa) – Oskar Lafontaines „Lex Rotlicht“ wird teilweise entschärft: Mit seinem Versuch, das Recht auf Gegendarstellung fast grenzenlos auszuweiten, scheiterte der Ministerpräsident bei der eigenen SPD- Fraktion. Fraktionsvize Dieter Gruschke brachte in der gestrigen Sitzung des Rechtsausschusses im Landtag eigene Vorschläge zur Änderung des Pressegesetzes ein. Damit wird der umstrittene Gesetzentwurf der Landesregierung wesentlich abgeschwächt.

Die vom Spiegel-gebeutelten Lafontaine persönlich abgesegneten Regierungspläne hatten als „Maulkorberlaß“ bundesweite Proteste ausgelöst. Kernpunkt des Vorhabens: die Stärkung des Gegendarstellungsrechtes auf Kosten der Pressefreiheit. Zeitungen sollten auf eine Gegendarstellung in derselben Ausgabe überhaupt nicht mehr eingehen dürfen – weder durch unmittelbare Anmerkungen noch durch einen sonstwo plazierten Artikel. Auch in dem nun von Gruschke präsentierten Vorschlag sollen „Zusätze zur Gegendarstellung nicht statthaft“ sein. Allerdings dürfen Presseorgane auf einer anderen Zeitungsseite die Gegendarstellung durch „tatsächliche Angaben“ erwidern, nicht durch Kommentare, aber durch Berichte.

Das im Regierungsentwurf vorgesehene Totalverbot von Redaktionsäußerungen war von Medienrechtlern als verfassungswidrig eingestuft worden.

Nicht geändert werden soll die Vorschrift, daß die Gegendarstellung dem kritisierten Artikel in Schrift und Aufmachung entsprechen muß. Anders als geplant, soll es Gegendarstellungen mit Fotos und Grafiken jedoch nur „bei einem berechtigten Interesse der Betroffenen“ geben. Ebenfalls neu in Gruschkes Papier: „Offensichtlich unrichtige Gegendarstellungen“ müssen nicht abgedruckt werden. Damit soll Rechtsradikalen die Möglichkeit genommen werden, Zeitungen endlos mit Gegendarstellungen zu überziehen. Lediglich einen Punkt des Regierungsentwurfes will die SPD-Fraktion übernehmen: Falls die Gegendarstellung formale Fehler enthält, dürfen Betroffene den Text anders als bisher vor Gericht „nachbessern“. Bislang kann eine Gegendarstellung bereits bei einer einzigen ungenauen Formulierung komplett abgelehnt werden. Die endgültige Fassung des Pressegesetzes soll am 11. Mai im Parlament beraten werden. Die Opposition im saarländischen Landtag lehnt Änderungen des Pressegesetzes noch wie vor vollständig ab. CDU-Fraktionschef Peter Müller meint, daß die Änderung zwar „positiv“ sei, es bleibe „aber schlimm, daß so ein Entwurf überhaupt auf den Tisch kommt“. Der SPD gehe es jetzt darum, „das Gesicht zu wahren“.

FDP-Fraktionsvize Joachim Kiefaber sprach angesichts ähnlicher Pläne der CDU auf Bundesebene vom „offenbar gebremsten Versuch einer großen Maulkorb- Koalition“. Beide Politiker wiesen darauf hin, daß Gruschkes Vorschläge das Recht auf Gegendarstellung in der Praxis sogar weiter einschränken könnten: So müsse nach geltender Rechtslage eine Gegendarstellung unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt gedruckt werden. Gruschke wolle jedoch „offensichtlich unrichtige Gegendarstellungen“ von vorneherein ausschließen. Damit wäre das Recht auf Gegendarstellung schwerer durchsetzbar.

Nach Informationen der taz haben die Maulkorb-Pläne der Landesregierung auch in den Reihen der Saar-SPD massiven Ärger ausgelöst: So arbeitet auch die vom saarländischen SPD-Fraktionschef Reinhard Klimmt geleitete Medienkommission der Bundespartei an einem Entwurf für ein neues Pressegesetz. Noch bevor aber die „Mediensozis“ mit ihren (möglicherweise zu liberalen) Vorschlägen an die Öffentlichkeit gehen konnten, ist Oskar Lafontaine mit seinem „Maulkorb-Erlaß“ vorgeprescht.

Auch die CDU/FDP-Regierung von Thüringen plant eine Verschärfung des Presserechts. Verstöße gegen das Gegendarstellungsrecht sollen mit Geldbußen bis zu 100.000 Mark geahndet werden. Der Landtag wird heute über den Antrag entscheiden.

Der Verband Thüringer Zeitungsverleger und der Deutsche Journalistenverband (DJV) protestierten gestern gegen den Antrag und bemängelten eine fehlende Beteiligung der Fachverbände. Der DJV wertete die drohende Geldbuße als Versuch von Politikern und Parteien, in die Pressefreiheit einzugreifen. Nach Ansicht der Verleger bietet das geltende Recht ausreichend Mittel für die Durchsetzung einer Gegendarstellung. Frank Thewes