„Wir fühlen uns doch als Jugoslawen“

■ Behörde verweigert 23jährigem bosnischen Deserteur den Aufenthalt

Die Haare von Aleksa Lukic sind von kleinen grauen Strähnen durchsetzt. Seit drei Jahren wartet der 23jährige auf einen Bescheid der Ausländerbehörde, ob er im Land bleiben darf oder zurück in den Bürgerkrieg muß. Seit einer Woche liegt seinem Anwalt Rolf Geffken ein Schreiben auf dem Tisch. Der Sachverhalt sei zwar noch nicht abschließend geklärt, dennoch beabsichtige die Ausländerbehörde den „Antrag auf Erstattung einer Aufenthaltserlaubnis“ abzulehnen.

„Es ist ein Skandal. Die behaupten, sie würden alles im Einzelfall prüfen. Tatsächlich wurde mein Mandant kein einziges Mal angehört“, sagt der Harburger Anwalt Geffken. Seit Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes ist es Anwälten nicht erlaubt, ihre Mandanten zu begleiten. Nicht mal telefonisch sei es ihm gelungen, zur Ausländerbehörde in der Amsinckstraße vorzudringen.

Dabei spricht einiges dafür, Aleksa Lukic bei seiner Familie in Hamburg zu lassen. In der serbisch besetzten Stadt Licki Tiskovac wartet ein Einberufungsbefehl der Armee auf den jungen Mann. „Ich will nicht töten“, sagt Aleksa. Deshalb sei er im Januar 1991 zu seinen Eltern nach Hamburg geflüchtet, die seit 25 Jahren in Deutschland leben. Aleska selbst wurde 1970 in Hamburg geboren, lebte aber seit seinem neunten Lebensjahr bei der Großmutter in dem bosnisch-kroatischen Heimatort. Ethnische Unterschiede waren für die Familie bislang nicht von belang. „Wir fühlen uns als Jugoslawen“, sagt Aleksas Mutter Mara.

Doch die Nationalitätenfrage könnte nun entscheidend werden. Da ihr Sohn keinen bosnischen Paß besitzt, fällt er nicht automatisch unter den für Bosnier verhängten Abschiebestopp. Er muß wie mehrere hundert Deserteure der Restjugoslawischen Armee in Hamburg die zwangsweise Rückführung nach Serbien befürchten. Zwar wird derzeit nach Rest-Jugoslawien nicht abgeschoben, weil die Verkehrswege nicht zu nutzen sind. Dies kann sich aber ändern, sobald Bundes-Innenminister Kanther das anvisierte Abschiebe-Abkommen mit Tschechien unterzeichnet hat.

Heute nachmittag wird sich erstmals der SPD-Landesparteitag mit dem Thema Deserteure befassen. „Die Hamburger SPD stellt die Forderung, keine Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien abzuschieben“, heißt es in einem Antrag des SPD-Kreises Eimsbüttel. Das gelte „insbesondere für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure“. Da die parteiinterne Antragskommission für „Annahme“ gestimmt hat, gibt es Chancen, daß das Sätzchen durchgestimmt wird. Was es nützt, ist eine andere Frage. „Wir erwarten, daß sich Innensenator Hackmann auf Bundesebene für einen Abschiebestopp einsetzt“, sagt der Eimsbüttler Genosse Heinz Utmann. Die GAL-Forderung nach einem Hamburger Alleingang hält der SPD-Mann für „unredlich“. Das würde einen Sog auf Deserteure ausüben.

Doch in der Hamburger Innenbehörde sieht man keine Notwendigkeit für einen bundesweiten Abschiebestopp. „Wir schätzen die Lage in Rest-Jugoslawien so ein, daß es dessen nicht bedarf“, sagt der zuständige Hackmann-Mitarbeiter Jörg Klussmann. Ausschlaggebend ist das Vertrauen in die Behörden vor Ort: „Ein abgeschobener Deserteur müßte nicht damit rechnen, daß er zu Kampfhandlungen herangezogen wird.“ K. Kutter