Ein Machtwort für die Steglitzer Spiegelwand

■ Bausenator Nagel will das Denkmal für die deportierten Steglitzer Juden verwirklichen / Das Ultimatum führte im Bezirksamt zu einem Riesenkrach

Das Hin und Her um das preisgekrönte, aber dann doch nicht vom Bezirk gewünschte „Denkzeichen“ für die aus Steglitz deportierten und ermordeten Juden soll ein Ende haben. Das beschloß gestern der Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) und provoziert damit einen Riesenkrach. Denn er stellte dem Bezirksamt ein Ultimatum. Entweder es entscheidet sich bis zum 2. Mai, den umstrittenen Entwurf der beiden Kreuzberger Architekten Wolfgang Göschel und Joachim von Rosenberg am Hermann-Ehlers-Platz bauen zu wollen, oder der Bausenator werde das Verfahren an sich ziehen und das Vorhaben selber verwirklichen. In einem Brief an den Steglitzer Bezirksbürgermeister Herbert Weber heißt es zur Begründung, daß die öffentliche Auseinandersetzung um die geplante Spiegelwand inzwischen Ausmaße angenommen habe, die das „Ansehen von Berlin weit über die Stadt hinaus schädigen“. Um weiteren Schaden abzuwenden, habe er sich deshalb in Übereinstimmung mit dem Kultursenator dazu entschlossen, alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Geschichte zu einer Hauptstadtangelegenheit zu machen. „Als politisch Verantwortlicher... beschämt es mich sehr“, schrieb er, daß die „Mehrheit des Bezirksamtes und der BVV das Mahnmal für die verfolgten Steglitzer Juden und zur Erinnerung an die Vernichtung der Steglitzer Synagoge nicht mittragen kann“.

Im Steglitzer Bezirksamt sorgte dieser Brief für große Aufregung. Eigentlich wollte man sich gestern abend bei einer Bauausschuß-Sondersitzung darauf einigen, das Denkmal abzulehnen und statt dessen der BVV am 18. Mai vorzuschlagen, eine Minigedenktafel aufzustellen, aber das ist jetzt schwer geworden. Der verantwortliche Baustadtrat Rene Rögner- Francke (CDU) kritisierte gegenüber dpa Wolfgang Nagel. Wenn der Bausenator das Denkmal jetzt zu einer bedeutenden kulturellen Angelegenheit erkläre, wundere er sich, daß der Bezirk bisher „in allen Schritten des Vorhabens alleingelassen wurde“, sagte er. Über die rechtliche Zulässigkeit, die Bezirksautonomie brechen zu wollen, habe man sich noch kein Urteil gebildet. Und am regulären BVV-Beratungstermin am 18. Mai halte er fest. Ein FDP-Fraktionssprecher reagierte spontaner. „So geht das nicht“, schimpfte er, „das ist verfassungswidrig.“ Das strittige Bauwerk sei „keine stadtplanerisch wichtige Sache“, die Nagels Vorgehen rechtfertigen würde. Große Freude über Nagels harsches Vorgehen herrschte hingegen bei den Befürwortern des Denkmals. Zwar beklagte der SPD-Volksbildungsstadtrat Thomas Härtel (SPD), daß der Senat in die bezirklichen Kompetenzen eingriff, persönlich ist er aber „erleichtert“. „Ich betrachte dies als eine Aufforderung von Nagel, daß wir uns jetzt zusammenraufen müssen und das Denkmal selber bauen.“

Ähnliches sagt Burkhard Müller-Schoenau für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. „Wenn das Bezirksamt soviel Mist baut, dann dürfen sie sich nicht wundern, wenn der Senat so reagiert.“ Die Leiterin des Steglitzer Kunstamtes, Sabine Weißler, ist „unglaublich froh“, und den beiden Künstlern fiel gestern ein Stein vom Herzen. Sie hoffen, daß sie jetzt die Spiegelwand in der geplanten Größe von neun Metern und mit den darin eingravierten Namen von 2.000 Deportierten bis zum 9. November dieses Jahres errichten können. Anita Kugler