■ Aachener Ordnungshüter klauen ein Fahrrad
: Scheiße im Polizeicomputer

Radweg (taz) – Stell dir vor, du fährst so nichtsahnend mit dem Rade durch die Stadt und gerätst, kann ja vorkommen, in eine Polizeikontrolle. Die Personalien sind bald zur Zufriedenheit überprüft, da wirft der eine Beamte einen Blick auf deine Fahrradrahmennummer. Der Datenabgleich mit dem Fahndungscomputer läßt ihn plötzlich sehr grimmig gucken und hoheitlich verkünden: „Dieses Rad wurde in Dessau gestohlen. Es wird hiermit beschlagnahmt.“

Du protestierst energisch, es sei dein Fahrrad, niemandes sonst, fabrikneu gekauft vor einigen Jahren, eine Verwechslung offenbar, und schimpfst hart am Rande der Beleidigung von Staatsorganen. „Haben Sie die Kaufquittung dabei?“ – „Glauben Sie, ich schleppe die seit sechs Jahren mit mir rum? Haben Sie eine Legitimation, daß dieses Bu.. Polizeiauto nicht gestohlen ist?“ – „Werden Sie nicht unverschämt!“ – „Ihre Dateien sind völlig für'n Arsch, das ...“ – „Zügeln Sie sich! Sonst ... Wegen Beleidigung...“ – „Ich habe nicht gesagt, daß Sie für'n Arsch sind, sondern Ihr Computer. Ich weiß, daß dies mein Rad ist, und deshalb weiß ich, daß bei Ihnen Scheiße läuft ...“ Nix hilft: Das Rad wird entwendet. So geschehen jetzt in Aachen.

Tattag war ein Samstag – zwei Tage tut sich also nichts. Der radlose Radler wühlt ergebnislos nach der Quittung. Aber er faxt eine eidesstattliche Erklärung seiner Liebsten und eine Kaufbestätigung des Radgeschäfts an das Polizeipräsidium. Nichts geschieht. Der radlose Radler ruft an, wird von Sachbearbeiter zu Schutzbeamten zu Kommissariat XY durchgestellt. Als sich die Mordkommission meldet, gibt er vorerst entnervt auf. Überraschender Rückruf am Mittag: Die Angelegenheit werde bearbeitet! Die eidesstattlichen Versicherungen nutzten nichts, nein, die Sache könne erst geklärt werden, wenn in Dessau Nachforschungen angestellt seien. Eine Frau? Also ein Damenrad! – Das wisse man nicht. „Und wenn die drei Wochen in Urlaub ist?“ – „Dann haben Sie Pech gehabt.“

Der Tag geht. Das Rad kommt nicht. Der radlose Radler ist wütend. Am nächsten Tag wieder ergebnislose Telefonate, zugesagte Rückrufe bleiben aus. Dann die Sensation: Dessauer Kollegen hätten gestohlenes Damen-, nicht Herrenrad gemeldet. Und: Rahmennummern würden halt von den Herstellern mehrfach vergeben. Wozu sie dann im Polizeicomputer einen Sinn machen, bleibt schleierhaft. Kann auch die Beamtin nur mit einem „Tja“ kommentieren.

Das Rad sei freigegeben – am anderen Ende der Stadt. Abholen? Vorbeibringen gefälligst! Doch alle Proteste sind erfolglos. Ein „öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis“ sehe vor, das Rad „bei der Behörde abzuholen“. Zudem sei „keine Sonderopferlage entstanden“, also würden Kosten nicht erstattet. Drei Tage Ärger, Streß, Nervereien – Pech gehabt. Der hoheitliche Diebstahl war falsch, aber Rechtens. Beim Abholen fragt der nun wieder radhabhafte Radler die Verwahrungsbeamten, ob nicht, wenn er demnächst erneut kontrolliert werde, alles wieder von vorne losgehe. Der Beamte versteht das Problem. Hmm ... Kurze Dienstkonferenz. Ergebnis: Der Radler solle sich eine siebte Rahmennummern-Ziffer einhämmern lassen; die werde dann in einen Fahrradpaß eigetragen.

Der Radler kam nicht mehr dazu. Zwar teilte ihm bald ein Oberstaatsanwalt mit, das Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Diebstahls seines eigenen Fahrrads sei eingestellt. Aber: Kurz darauf wurde ihm sein Rad tatsächlich gestohlen. Jetzt traut er sich nicht zur Diebstahlmeldung. Aus Angst, die Fahndungsdateien könnten wegen Mehrfachmeldung jäh abstürzen, und er würde verhaftet wegen Sabotage. Bernd Müllender