Gnadenlose Stadt Köln

■ Ein untergetauchter Jugendlicher soll in die Türkei abgeschoben werden

Berlin (taz) – Muzaffer Ucars Anwesenheit „beeinträchtigt die Interessen der Bundesrepublik“. Deshalb will die Stadt Köln den 13jährigen Türken, der seit acht Jahren bei seiner Schwester in Köln lebt (die taz berichtete), jetzt abschieben.

„An dem Fall gibt es nichts mehr zu rütteln“, sagte der stellvertretende Pressesprecher der Stadt Köln, Manfred Burkhard, zur taz. Das Oberverwaltungsgericht Münster habe in zweiter Instanz entschieden, die Aufenthaltserlaubnis nicht zu verlängern, da Muzaffer illegal in Deutschland lebe. Nach dem Ausländergesetz, so Burkhard, dürfe Muzaffer sich nicht bei seiner Schwester aufhalten, wenn seine Mutter in der Türkei lebt. Die Schwester nahm den Jungen 1986 bei sich auf, weil die Mutter sich nicht um den Jungen kümmerte. Sie wollte nicht mit ansehen, wie der Junge verwahrloste und auf den Straßen Istanbuls ums Überleben kämpfen mußte. Seither geht Muzaffer in Köln zur Hauptschule und sagt selbst, er fühle sich wohl bei seiner Schwester.

Nach der UN-Kinderrechtskonvention muß bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes berücksichtigt werden. Die Bundesrepublik hat sich jedoch bei der Unterzeichnung des Abkommens eine Hintertür offengehalten: Asyl- und Ausländergesetze haben Vorrang. „Wir wollten an dem Fall Muzaffer gerichtlich klären, ob der Vorbehalt der Bundesregierung zulässig ist“, sagt Angelika Rösser, Mitarbeiterin von terre des hommes. Offensichtlich ist er das, obwohl sich die Kinderkommission des Bundestages dafür ausgesprochen hat, Muzaffer nicht auszuweisen.

In Köln leben noch rund einhundert weitere ausländische Kinder bei ihren Geschwistern oder Großeltern. Was mit ihnen geschehen wird, ist noch unklar. Das Gericht muß in jedem Fall einzeln entscheiden, ob die Kinder hier bleiben dürfen. Annabel Wahba