Italien: Mussolini läßt schön grüßen

■ Rechte auf dem innen- und außenpolitischen Durchmarsch

Rom (taz) – Achille Occhetto, der seit der Wahl von Ende März fast völlig ins Off verschwundene Chef der geschlagenen „Fortschrittlichen“, hat endlich wieder etwas mitzuteilen, und er tut es mit unverhohlenem Triumph: „Die sind“, erklärt er ein ums andere Mal, „noch schlimmer als erwartet, noch skrupelloser, noch gefährlicher.“ „Die“, das sind die neuen Machthaber, die Mitglieder der Rechtsallianz um Silvio Berlusconi („Forza Italia“), Umberto Bossi („Lega Nord“) und Gianfranco Fini („Alleanza nazionale“).

Insbesondere zwei Vorgänge, ein innen- und ein außenpolitischer, haben Occhettos Menetekel-Rede ausgelöst: Innenpolitisch ist ein ansehnlicher Teil der Rechtsallianz gerade dabei, sich mit der ihnen zugefallenen Kontrolle der ersten und der zweiten Gewalt im Staate – der Gesetzgebung und der Exekutive – auch noch die dritte Gewalt botmäßig zu machen, die Rechtsprechung.

Mit „einer Ungeniertheit sondergleichen, die nicht mal Machtzyniker wie Andreotti oder Craxi jemals in dieser Weise gezeigt haben“, so La Repubblica, „besetzen die nicht nur schon Posten, die noch gar nicht frei sind“ (wie die der Staatsanwälte im Antimafiakampf), sondern „wollen auch noch die ganze Justiz an die politische Leine legen“. So soll der Oberste Richterrat – ein weltweit einmaliges, demokratisch gewähltes Selbstverwaltungsorgan aller Richter und Staatsanwälte – nach Plänen von Berlusconis designiertem Justizminister Cesare Previti durch eine Modifizierung des Wahlsystems „mit der Parlamentsmehrheit gleichgeschaltet werden“. Außerdem soll die Karriere von Richtern und Staatsanwälten völlig getrennt werden, mit dem Ziel, die Ermittler direkt an politische Weisungen anzubinden.

Außenpolitisch ist unvermittelt die Istrienfrage wieder ins Zentrum der Polemiken getreten: Der Neofaschist Mirko Tremaglia, Scharfmacher und Hitzkopf seit eh und je, möchte den gesamten Adria-Streifen des ehemaligen Jugoslawien wieder wie zu Mussolinis Zeiten „heimholen“: Die 1975 – nach dreißigjährigen Verhandlungen – geschlossenen Verträge seien „zu revidieren.“ Neofaschistenchef Gianfranco Fini hat seine Kommuniqués von 1991 wieder aus dem Archiv geholt: Damals, zu Beginn des Zerfalls im Osten, hatte er Belgrad einen Blitzbesuch abgestattet und von dort die sogar offizielle Antwort mitgebracht: „Warum nehmt ihr euch Istrien nicht? Es gehört doch euch!“

Finis Verbündete reagieren wie stets in den letzten drei Wochen – fast gar nicht. Berlusconi, der designierte Regierungschef, ließ verlauten, daß „natürlich“ alles „im Rahmen von Europa geregelt werden“ müsse, und die „Ligen“ erklärten nur, daß es „innerhalb des bisher abgesprochenen Programmes noch keinen „istrienbezogen Punkt“ gebe.

Mussolini läßt grüßen: Auch er bereitete seine außenpolitischen Abenteuer mit solchen Versuchsballons vor. Und daß sich die neue Regierung immer mehr an ihm orientiert, steht außer Zweifel: Parlamentspräsidentin Irene Pivetti, die den Ligen angehört, hat inzwischen sozusagen „amtlich“ festgestellt, daß „in diesem Jahrhundert nur Mussolini wirklich etwas für Frauen und für die Familie getan hat“. Werner Raith

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