Großveranstaltung der Aleviten

■ 7.000 AnhängerInnen der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Bremen

Aleviten? Der Duden kennt sie gar nicht. Auch der türkische Honorarkonsul Grabbe greift sicherheitshalber zum Nachschlagewerk, bevor er verrät, was er schon ahnte: Eine muslimische Glaubensgemeinschaft sind die Aleviten – in Abgrenzung zu den Sunniten, die in der Türkei religiös dominieren. Immerhin 7.000 TürkInnen und KurdInnen aus dem norddeutschen Raum brachte diese Minderheit in der Türkei, dort als Sekte diskriminiert und verboten, am vergangenen Wochenende auf die Beine und in die Bremer Stadthalle. Der Anlaß war das Gedenken an die Opfer eines Anschlags am 2. Juli vergangenen Jahres, bei dem 37 Menschen, überwiegend KritikerInnen des erstarkenden Fundamentalismus, ums Leben kamen.

„Das war unsere dritte große Kulturveranstaltung seit letzten Herbst“, sagt Hidir Temal, der im zehnköpfigen Vorstand des Alevitischen Kulturvereins in Bremen mitarbeitet – sechs Vorstandsmitglieder sind Frauen. Über den Zuspruch zu der Veranstaltung ist man dort im doppelten Sinn erfreut. „Das zeigt, daß nicht nur die Fundamentalisten stärker werden, sondern wir auch.“ Die Aleviten verstehen sich seit jeher nicht nur als Religionsgemeinschaft – „über die Jahrhunderte haben wir uns auch zu einer gesellschaftlichen Gruppe entwickelt. Wir schließen die Augen nicht davor, daß in der Türkei die Menschenrechte mit Füßen getreten werden“. Kurden machen unter den Aleviten zwischenm einem Drittel und der Hälfte der Glaubensmitglieder aus – aber genaue Zahlen sind nicht bekannt. „Zur Frage eines eigenen Kurdenstaates äußern wir uns nicht, das ist eine kurdische Angelegenheit“, ist die Position des Vereins.

Die Aufgaben des Vereins liegen jedoch nicht nur darin, das „demokratische, humanistische Denken“ in der Türkei zu stärken, wie es heißt. Denn die Migration stellt die alevitische Diaspora, auch in Australien und den USA, vor neue Aufgaben: „Vor allem die Jugendlichen setzen große Erwartungen in uns“, sagt die erste Vorsitzende Yüksel Altekin. Anders als in der Türkei kommen die alevitischen Jugendlichen in Deutschland stärker mit anderen muslimischen Glaubensrichtungen in Kontakt. Für die AlevitInnen nämlich ist das Gebet eine persönliche Angelegenheit – ein Gotteshaus haben sie in Bremen nicht, ebensowenig wie in anderen Städten. „Wir sagen, Gott lebt im Herzen der Menschen.“ Und also wird im Kreis gebetet, Frauen wie Männer gemeinsam. „Wir sprechen von Seelen, nicht vom Geschlecht.“

Seit dem Sommer letzten Jahres hat sich die Zahl der alevitischen Kulturvereine in Deutschland verdoppelt, fast hundert sind es mittlerweile. Und am kommenden Freitag geht der erste alevitische Rundfunksender in der Türkei auf Sendung, „nur das Wort 'Alevit' darf darin nicht vorkommen“. ede