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: "Milieu"-Studien-betr.: "Tatort"

„Tatort“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

Spätestens seit „Tom-Tom“- Kießling weiß die Nation, daß das Homoreservat gemeint ist, wenn vom „Milieu“ die Rede ist. Da liegt die richtige Stimmung drin zwischen Rotlicht und Kriminalität, zwischen geschlossener Gesellschaft und allzeit offenen Hosen. Einen Grundkurs über die Ausstattung des Gettos lieferte der jüngste „Tatort“- Krimi: Der homosexuelle Mann trägt Lidschatten und Mascara selbst beim Verhör, sein kleiner Finger ist abgespreizt und seine Sprechweise affektiert; ist er einsam und allein, geht er gerne auf den Bahnof-Strich, und kommen Bullen ins Lokal, suchen die Tunten hysterisch das Weite.

Durch derlei Klischee-Pädagogik eingestimmt, wird aus dem Krimi ein Aids-Aufklärungsspot in Überlänge. Der Test wird gezeigt und der Horror beim Positiv-Ergebnis, die Gummis liegen griffbereit, und ein Aids-Desperado wird stranguliert, noch bevor ein Staatsanwalt das Strafmaß verkündet, getreu den Buchstaben des StGB.

Dabei war dem Drehbuchautor Claus-Michael Rohne das „Milieu“ so egal wie Aids, auch wenn er – wie vorab gemeldet – zwei Jahre am Skript gesessen hat und fünf Fassungen schreiben mußte. Die Schwulen und ihre Umgebung sind – wieder einmal – nichts weiter als eine exotische Karikatur ihrer selbst, und in Sachen Aids steckt der Fehler im Detail: Eine Gefährdete freut sich schon wenige Tage nach dem vermeintlichen wrong fuck über ihr negatives Testergebnis, obwohl eine relative Gewißheit erst mindestens drei Monate nach der möglichen Infektion gegeben ist.

Viel mehr hatte Rohne aber auch nicht versprochen. Der „Mord in der Akademie“ sei kein spezieller Schwulen-Fall, versicherte er zuvor, sondern eine allgemein menschliche „Geschichte von Untreue, Eifersucht und enttäuschter Liebe, die genauso zwischen Mann und Frau ablaufen könnte“. Hätte er doch nur mal was ganz „Spezielles“ gewagt, dann wäre er vielleicht genauer gewesen und hätte aus den Figuren mehr gemacht als nur eine Summe grassierender Vorurteile. So aber wurde die Chance für eine respektvolle Darstellung der Schwulen und ihres Lebens in der Aids-Krise vertan. Statt dessen blieb für sie nichts weiter als der beliebige Kulissenpart für ein bißchen Spannung und Unterhaltung. Damit die falschen Bilder richtig bleiben und das „Milieu“ ein „Milieu“. Elmar Kraushaar