Tag der Eintracht, Tag der Zwietracht?

Starke Kontroversen beim gestrigen italienischen Gedenktag zur Befreiung von der deutschen Besatzung / Die Rechte wollte eine „Nationale Wiederversöhnung“ zelebrieren  ■ Aus Rom Werner Raith

Der liebe Gott, ansonsten nach Auskunft seines obersten Stellvertreters auf Erden mit seinen Italienern wegen der Erlaubnis zur Scheidung und zur Abtreibung höchst unzufrieden, mag derzeit seine wahre Freude am Land der Zitronenblüte haben: So oft wie in diesen Tagen wurde er im letzten halben Jahrhundert wohl nur noch selten angerufen. Er bete für „alle Gefallenen“, ließ der Leitartikler des Indipendente wissen; „Erlöse uns von den Gespenstern“ flehte la Voce, und sogar die sonst stocknüchterne la Stampa überschrieb ihren Hauptartikel zum Thema mit einem Bezug zur St.-Peter-Zeitung Osservatore romano: „Der Vatikan stellt erneut die Resistenza voran.“

Um sie ging es nämlich vor allem: die „Resistenza“, und speziell um den Tag, an dem all jene gefeiert werden, die von 1943–45 die deutschen Besatzer aus dem Land geworfen haben – ihnen war bisher unwidersprochen exklusiv der Nationalfeiertag am 25. April (Tag der deutschen Aufgabe in Italien) gewidmet. Doch nun soll das anders werden.

Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen wurde gestern in ganz Italien der seit fast 50 Jahren begangene Nationalfeiertag zelebriert – alleine in Mailand, wo an die 200.000 Demonstranten zu zwei getrennten Manifestationen angereist waren, standen 5.000 Polizisten und Geheimdienstler bereit, um die befürchteten Auseinandersetzungen zu verhindern: Autonome und Teile von Gewerkschafts-Basisbewegungen hatten angekündigt, die Großkundgebung des sogenannten „Verfassungsbogens“ (der Gründerparteien der Nachkriegsrepublik, von der ehemaligen KP bis zur mittlerweile ebenfalls zerfallenen Democrazia cristiana) tätlich anzugreifen, weil diese sich zu stark mit Mitgliedern rechtsgerichteter Gruppen einlassen und so das Erbe der „Resistenza 2“, des Widerstands gegen die deutschen Besatzungstruppen 1943–45, verrieten.

Der Feiertag war ausgerechnet deshalb zum Tag der Zwietracht geworden, weil die in den Wahlen von Ende März mit einer ansehnlichen Mehrheit ausgestattete Rechte die Feiern zu einer Art „Nationalen Wiederversöhnung“ umgestalten wollte. Das aber stritt sich mit der bisherigen Ausrichtung, an der vor allem alte Partisanenchefs und deren Mitstreiter mit farbenprächtigen Fahnen umherzogen.

Daß sich die Rechte auf den Tag stürzte, war dabei gar nicht allzuschwer vorauszusehen: Seit vielen Jahren versuchten insbesondere die Neofaschisten, ihre politische Isolierung dadurch zu durchbrechen, daß sie „aller Toten der Kriege unseres Jahrhunderts“ gedenken wollen. Das gäbe ihren Führern die Chance, neben Staats- und Ministerpräsidenten, Partisanenführern und Rabbinern aufzutreten und so neben der Schuld ihrer Vorbilder am Tod unzähliger Soldaten im Zweiten Weltkrieg auch den Makel der von Mussolini mutwillig durchgeführten Feldzüge zu tilgen.

Daraus wurde diesmal noch nicht allzuviel. Zwar hatte sich Neofaschistenführer Gianfranco Fini schon vor der Wahl in die Ardeatinischen Brüche bei Rom begeben und der vom Kommando des SS-Führers Kappler erschossenen Geiseln gedacht; doch als er nun zum 25. April wieder hinwollte, winkten die Behörden ab – an diesem Tag gehen traditionell Staats- und Ministerpräsident an die Gedenkstätte, und die wollten sich partout nicht mit ihm sehen lassen. In Mailand wiederum sorgten weniger die Altparteien als vielmehr die dort starke „Liga“ dafür, daß Finis Mannen außen vor blieben – die im Süden starke neofaschistische Partei soll nicht auch noch im Norden zum politischen Konkurrenten werden. Die „Nationale Allianz“ mußte eine eigene Feier organiseren. So wurde eine schnell noch umfunktionierte Messe in der Basilica Santa Maria degli Angeli in Rom besucht, um danach auf der Piazza Esedra ein paar passende Worte von sich zu geben.