■ Das Portrait
: Ratko Mladić

„Soldaten kämpfen oder sterben.“ Dazwischen gebe es nichts, sagt General Ratko Mladić. Überhaupt mangelt es dem Oberbefehlshaber der bosnischen Serben nicht an markigen Sprüchen. „Wenn die Nato uns unter Beschuß nimmt“, warnte er im letzten Jahr, „dann werden wir London und München bombardieren.“ Das italienische Triest ist für ihn eigentlich eine „serbische Stadt“, der Kleinstaat Mazedonien eine „Mißgeburt“ und ein Staatenbund Serbiens mit Griechenland die folgerichtige Konsequenz aus dem Zusammenbruch des exkommunistischen Jugoslawien. Mladić sieht sich als „Napoleon von Bosnien“, sein Ziel ist eine „Vereinigung aller serbischer Länder“. Dabei kannte bis vor vier Jahren niemand auf dem Balkan auch nur seinen Namen. Der 51jährige hatte es unter den Kommunisten nur zum Oberst gebracht – angeblich war seine nationalistische Gesinnung den Tito-Generälen suspekt. Erst 1991 wurde der Krajina-Serbe über Nacht bekannt, als er in Südkroatien serbische Freischärlergruppen offen unterstützte und ihnen bei ihren Terroraktionen „militärischen Beistand“ zusagte. Dann setzte sich Mladić mit einer Gruppe serbischer Offiziere an die Spitze eines Armeeputsches, die die Jugoslawische Volksarmee in eine Serbische Staatsarmee umwandelten und alle nichtserbischen Offiziere absetzen ließ. Aus den zahlreichen Säuberungsaktionen ging Mladić stets als Sieger herNapoleon von BosnienFoto: Reuter

vor, er stieg zum einflußreichsten General im serbischen Armeelager empor. Seinen Erfolg verdankt der General in erster Linie der Tatenlosigkeit des Westens, die er selbst stets vorausgesehen hatte und die ihn zu immer neuen Kriegsabenteuern anspornte. Noch Anfang des Jahres gab es Gerüchte, seine Zeit sei mit der Befriedung von Sarajevo endgültig abgelaufen, die Serbenführer Slobodan Milošević und Radovan Karadžić begännen, sich von dem Haudegen zu distanzieren. Doch Mladić ergriff die Flucht nach vorne, eröffnete vor drei Wochen eine Großoffensive auf die muslimische Enklave Goražde und kommandierte von den Berghügeln um die UN-Schutzzone aus persönlich den Dauerbeschuß. In den serbischen Massenmedien wird er seitdem erneut als Kriegsheld gefeiert, Karadžić wie Milošević suchen seine Nähe, während Mladić weiter die Welt verhöhnt. Die Nato werde nicht mehr eingreifen, ließ er seine Leute wissen, „und Goražde wird fallen, es gehört uns, es ist serbisch“. Karl Gersuny