Volksabstimmung über AKW

■ Ungarische Initiative gegen Atommüllager

Budapest (taz) – „Die Kommunisten haben uns hier das Atomkraftwerk hingebaut, ohne uns zu fragen. Wir wurden nie über Gefahren unterrichtet, wir haben nie Untersuchungsergebnisse zu sehen bekommen. In vier postkommunistischen Jahren hat sich daran nichts geändert.“ So begründet János Mühelyi, warum die „Gruppe Überleben“, deren Vorsitzender er ist, eine Volksabstimmung gegen das Atomkraftwerk initiierte, für die seit Montag Unterschriften gesammelt werden.

Über drei Fragen sollen die Bewohner der südungarischen Donaustadt Paks dabei ihre Meinung äußern: ob auf dem Gelände des Kraftwerks ein Atommüllager gebaut werden, ob das Kraftwerk unter die Kontrolle eines Gremiums aus unabhängigen Experten und Bewohnern gestellt werden soll und ob der Atomstrom für die Anwohner billiger sein soll, wenn sie es schon neben dem AKW aushalten müssen.

Ausgelöst hat die Initiative ein Vorfall im November letzten Jahres: Ein Eisenbahnwaggon mit strahlendem Material, das nach Italien gesandt werden sollte, war an der slowenisch-italienischen Grenze wegen zu hoher radioaktiver Werte nach Ungarn zurückgeschickt worden. Was der Waggon enthielt, wissen die Bewohner bis heute nicht. Obwohl gesetzlich vorgesehen, so János Mühelyi, würden die Betreiber des 1.760-Megawatt-Kraftwerkes, das 30 Prozent des ungarischen Stroms erzeugt, kaum Informationen etwa über die radioaktive Belastung der Umgebung erhalten. Der Rechtsanwalt und ehemalige technische Mitarbeiter des Kraftwerkes schätzt, daß Atommüll, der zur Zeit in sogenannten „ruhenden Naßbecken“ aufbewahrt wird, höchstens fünf Jahre lang dort lagern kann.

Nach den Vorstellungen der „Gruppe Überleben“ soll der Atommüll entweder nach Rußland zurückgeschickt werden oder aber in stillgelegten Uranbergwerken in Südwestungarn gelagert werden. Keno Verseck