NPD verliert in Karlsruhe

■ BVerfG: Auflagen gegen „Auschwitz-Lüge“ zulässig

Karlsruhe (AFP/taz) – Veranstaltungsauflagen, die die Verbreitung der „Auschwitz-Lüge“ verhindern sollen, verstoßen nicht gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Mit dieser gestern veröffentlichten Entscheidung wies das Bundesverfassungsgericht (BVG) eine Klage der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei (NPD) zurück. Die Partei hatte sich darüber beschwert, daß die Stadt München ihr für eine Veranstaltung mit dem umstrittenen Historiker David Irving die Auflage erteilt hatte, zu Beginn auf die Strafbarkeit der Verbreitung der „Auschwitz-Lüge“ hinzuweisen. In einer weiteren Entscheidung zur Meinungsfreiheit über den Nationalsozialismus hob der Erste Senat die Indizierung eines von der Bundesprüfstelle als jugendgefährdend eingestuften Buches über die „Kriegsschuldfrage“ auf. (AZ: 1 BvR 23/94, 1 BvR 434/87)

Im ersten Verfahren hatte der Münchener Bezirksverband der NPD am 12. Mai 1991 zu einer Veranstaltung mit dem Thema „Deutschlands Zukunft im Schatten politischer Erpressung?“ eingeladen. Irving werde erstmals zu der Frage Stellung nehmen, ob es sich die Deutschen leisten könnten, die „Zeitgeschichte als politisches Erpressungsinstrument“ zu dulden, hieß es in der Einladung. Weil die Stadt deshalb befürchtete, daß die „Auschwitz-Lüge“ verbreitet werden sollte, verhängte sie die Auflage, zu Beginn der Veranstaltung auf die Strafbarkeit derartiger Äußerungen hinzuweisen und sie gegebenenfalls zu unterbinden. Nach Auffassung des BVG war die Auflage als milderes Mittel statt eines Verbotes zulässig: Die Leugnung der Judenverfolgung sei strafbar und eine „erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung“, die nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit falle.

In der zweiten Entscheidung hob der Erste Senat die Indizierung eines Buches von Udo Walendy über die „Kriegsschuldfrage“ auf. Weil in dem Buch weder die „Auschwitz-Lüge“ vorkomme noch Thesen vertreten würden, die „Rassenhaß, Kriegslüsternheit und Demokratiefeindlichkeit“ förderten, überwiege hier die Bedeutung der Meinungsfreiheit. Meinungsäußerungen genießen im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen „ohne Rücksicht auf ihre Richtigkeit“ den Schutz der Meinungsfreiheit, heißt es in der Begründung. Die Kriegsschuldthese lasse sich in dem indizierten Buch als Bewertung eines komplexen historischen Vorgangs nicht auf eine Tatsachenbehauptung reduzieren.

Meinungsäußerungen seien unabhängig davon geschützt, ob sie außerhalb gängiger Lehrmeinungen lägen, schlecht begründet oder aus sonstigen Gründen anfechtbar seien, entschieden die Verfassungsrichter. Zudem bilde die offene Diskussion das eigentliche Fundament der demokratischen Gesellschaft. Vermittlung von Geschichtswissen und kritische Auseinandersetzung mit abweichenden Meinungen könnten die Jugend wirksamer vor der Übernahme verzerrender Geschichtsdarstellungen schützen als die Indizierung eines Buches.

Siehe Kommentar Seite 10