Strahlende Secondhand-Stäbchen für Ungarn

■ Gebrauchte Brennelemente aus Greifswald für ungarisches AKW

Budapest (taz) – Deutsche Brennelemente sollen die strahlende Zukunft Ungarns sichern. Die Kernbrennstäbe sind gebraucht – und möglicherweise beschädigt. Ihre Weiterverwendung birgt ein unkalkulierbares Risiko. Die Brennelemente stammen aus dem stillgelegten Atomkraftwerk Greifswald und sollen im ungarischen AKW Paks eingesetzt werden. Das bestätigte gestern der Sprecher des AKW Paks, Balázs Kovács, gegenüber der taz.

Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Brennstäbe aus dem Block 5 des Atomkraftwerkes Greifswald. Derzeit, so Kovács, würde über die konkreten Umstände des Brennstäbegeschäftes verhandelt. Für Ungarn sei das Geschäft eine Möglichkeit, sich billig mit Kernbrennmaterial zu versorgen. Daß die Stäbe möglicherweise beschädigt sind, spielt bei dem Handel offenbar keine Rolle.

Die Meiler in Paks sind vom gleichen Typ wie die 1990 stillgelegten Schrottreaktoren in Greifswald. Wie der Sprecher weiter sagte, soll Ungarn nach den Vorstellungen der Deutschen für die Lagerung der abgenutzten Brennstäbe selbst aufkommen. Ob die staatliche Betreibergesellschaft „Pakser Atomkraftwerk AG“ auf diese Bedingung eingegangen ist, wollte Kovács nicht bestätigen. Umweltschützer in Paks befürchten jedoch, daß Ungarn die Brennstäbe auch unter diesen Umständen kaufen wird. Für eine solche Bereitschaft Ungarns spricht, daß es in letzter Zeit Schwierigkeiten bei den Brennstäbelieferungen aus Rußland gegeben hat und sich die Atomkraftwerksbetreiber in Paks gegen eventuelle Ausfälle absichern wollen.

Nach einem Testlauf des Blocks 5 im AKW Greifswald war es dort im November 1989 zu einem Störfall gekommen. Dabei ist die Ummantelung der zum Export vorgesehenen Brennstäbe möglicherweise beschädigt worden und macht die Weiterverwendung zu einem heiklen Unterfangen.

Laut Auskunft des Atomkraftexperten Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt seien solche Beschädigungen schwer festzustellen. Im übrigen habe er bereits länger befürchtet, daß die Brennelemente in ein osteuropäisches Land verkauft werden würden. Die Energiewerke Nord in Greifswald hätten an dem Geschäft Interesse, weil ihnen nur geringe Lagerkapazitäten für Atommüll zur Verfügung stehen.

Probleme mit der Atommüllagerung hat auch Ungarn. Es bezieht die Brennstäbe für sein einziges Atomkraftwerk bisher ausschließlich aus Rußland. Bei seinem Besuch in Budapest Ende März hatte der russische Regierungschef Viktor Tschernomyrdin zwar versprochen, daß sein Land den Atommüll zurücknehmen werde. In Rußland war dieses Versprechen jedoch auf Kritik von Umweltschützern und Parlamentariern gestoßen.

Angeblich soll Tschernomyrdin nicht bevollmächtigt gewesen sein, eine derartige Vereinbarung zu treffen. In Ungarn gibt es nur provisorische Lagermöglichkeiten für Atommüll. Dagegen regt sich mittlerweile Widerstand unter den Bewohnern von Paks. Lokale Umweltschützer initiieren seit Mitte letzter Woche eine Volksabstimmung gegen Atommüllagerung in Paks. Keno Verseck

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