„Faschismus-Fratze“

■ DVU erzwingt Debatte um ihr Kaisen-Urteil

Das Bremer Oberlandesgericht macht Furore: Die erste Kammer hatte geurteilt, daß die Bremer DVU zurecht behaupten darf, „auch Wilhelm Kaisen würde DVU wählen“, und die Reaktionen auf dieses Urteil waren scharf wie selten. Sogar der Bremer Senat mischte sich in die Debatte ein und beschloß, der Kaisen-Tochter Prozeßkostenenhilfe zu gewähren, wenn sie vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wolle. Diesen Beschluß nahm nun die DVU zum Anlaß, eine aktuelle Stunde in der Bürgerschaft zu beantragen. Und da gingen die Wogen hoch. Klaus Wedemeier: „Die Fratze des Faschismus zeigt sich.“

Wenn ausgerechnet die rechte DVU die sozialdemokratische Ikone Wilhelm Kaisen an die nationale Brust zu drücken versucht – kein Wunder, daß da die SPD mit einem allergischen Schock reagiert. Wenn der DVU-Redner Hans-Otto Weidenbach Kaisen als „kernnationalen Mann“ bezeichnete, dann ging das Rumoren in den anderen Fraktionen los, besonders in der sozialdemokratischen. Weidenbach: „Kaisen würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen würde, was die SPD heute aus Bremen macht.“ Da waren die Abgeordneten aus den anderen Fraktionen kaum noch zu halten. Und als dann Sätze kamen, wie Kaisen habe „den deutschen Charakter der Stadt“ bewahrt und sich nicht in „Multikulti-Experimenten“ ergangen, da kamen die ProtokollantInnen kaum mit, all die Zwischenrufe aufzunehmen. Weidenbachs propagandistisches Fazit: „In einer solchen SPD derartiger Gestalten würde Kaisen sich nicht zu Hause fühlen.“

„Wilhelm Kaisen wählt DVU – Es gibt keine tiefgreifendere Ehrverletzung“, sagte Horst Isola für die SPD. Die DVU habe aus der Abschiedsrede Kaisens Zitate aus dem Zusammenhang gerissen und daraus eine politische Nähe konstruiert. Und das Oberlandesgericht habe das nicht als Fälschung bezeichnet, keine Verunglimpfung festgestellt und am Ende sogar eine „gewisse deutschnationale Grundhaltung“ ausgemacht. Isola: „Die Meinungsfreiheit endet dort, wo sie die Menschenwürde verletzt.“ Deshalb müsse erstens das Urteil vom Tisch, zweitens aber müsse es dringend zu einer politischen Diskussion mit den Bremer Richtern kommen.

„Abgefeimte Persönlichkeitsverletzung“ durch die DVU sei das gewesen, assistierte Axel Adamietz von der FDP, auch wenn er sich bemühte, keine Urteilsschelte zu betreiben. Das war genau die Zwickmühle aller, die auf Weidenbach antworteten: Hart gegen die DVU, sanft zu den Richtern. Wer den Rechtsstaat verteidigt, kann nicht so offen sagen, daß er die Richter am Bremer Oberlandesgericht für bekloppt hält. Dann schon eher Weidenbach. Hermann Kuhn für die Grünen mit Blick auf die Abgeordneten von scharf rechts: „Das Verfassungsgericht hat gerade entschieden, daß Dummheit nicht strafbar ist. Und Sie sind kerndumm.“

Die schärfsten Worte fand noch Klaus Wedemeier. Er donnerte, ab jetzt werde anders mit den Rechten umgesprungen, denn „die DVU ist es, die junge Leute ermutigt, gegen Ausländer mit Benzin vorzugehen. Da müssen wir uns davorstellen.“ Die CDU sagte gar nichts. J.G.