Protestierende und Provokateure in Indonesien

■ Teile der Armee nutzen die andauernden Arbeiterproteste zu eigenen Zwecken

Medan (taz) – Haben Elemente des indonesischen Militärs die antichinesischen Ausschreitungen provoziert, die sich innerhalb einer Welle von Streiks und Arbeiterprotesten in der Stadt Medan vor zwei Wochen ereigneten? Zwei mittlere Armeeoffiziere gestanden jetzt im Interview mit der Zeitung Sinar Harapan Pagi, sie hätten die Demonstrationen infiltriert und Arbeiter zu Angriffen auf Besitz der chinesischen Minderheit ermuntert. Ein ausländischer Diplomat in Medan bestätigt, ähnliche Berichte erhalten zu haben und die Namen der beiden Offiziere zu kennen.

Bei den Unruhen am 14. und 15. April in der Millionenstadt Medan auf der Insel Sumatra war ein chinesischer Geschäftsmann getötet worden. 150 Fabriken und Läden im Besitz von Chinesen wurden angegriffen. Nach Berichten von Arbeiteraktivisten in Medan und Djakarta waren die Transparente mit antichinesischen Parolen während der Aufmärsche plötzlich im Stadtzentrum aufgetaucht und seien, anders als die handgeschriebenen Plakate der Arbeiter, in Druckbuchstaben ausgeführt gewesen.

Ursprünglich hatten die Demonstrationen als Protest gegen schlechte Arbeitsbedingungen begonnen. Die Arbeiter forderten die Zulassung freier Gewerkschaften, die Zahlung eines Mindestlohns von umgerechnet 1,50 US- Dollar pro Tag und eine Untersuchung des mysteriösen Todes eines Gummifabrikarbeiters namens Rusli. Die Armee ging gegen die Demonstranten gewaltsam vor. Doch scheinen Militärs schon öfter mitgemischt zu haben: Auf einem Videoband eines ersten Protestmarsches am 13. März aus Anlaß des Todes von Rusli ist ein zivil gekleideter Armeeleutnant zu sehen, der Bubarkan Soeharto! („Nieder mit Präsident Suharto!“) schreit.

Armeegeneral Feisal Tanjung hat eine Verwicklung der Armee bestritten. Das Militär macht die vom Staat nicht anerkannte Gewerkschaft SBSI („Indonesische Gewerkschaft für prosperierende Arbeit“) für die Unruhen verantwortlich. SBSI-Führer Muchtar Pakpahan sagte dazu, seine Organisation habe die ersten Proteste organisiert, sei aber gegen jede Gewalt. Einzelpersonen oder dritte Parteien hätten die Protestversammlungen benutzt, um Chaos zu produzieren.

„Es ist normal, daß der militärische Geheimdienst bei Arbeiterprotesten sogenannte Kontrolloperationen durchführt“, sagt Maiyasyak Johan, Leiter des Kinderhilfswerks LAAI in Medan. „Damit soll das Image der Arbeiter beschädigt werden.“ Die LAAI vertritt Ruslis Ehefrau im Rechtsstreit über dessen Tod. Ihr Büro wurde am 18. April von Unbekannten verwüstet. Nach anderen Quellen wollen Militärführer den gegenwärtigen Gouverneur Nord- Sumatras, Radja Inal Sireagar, destabilisieren. Er wurde vor zwei Jahren gewählt, gegen den vom Militär favorisierten Kandidaten.

Arbeiteraktivisten in Medan geben allerdings zu, daß es antichinesische Gefühle in der Millionenstadt gibt, da Chinesen in enger Zusammenarbeit mit Militärs den Großteil der örtlichen Wirtschaft kontrollieren sollen. Aber viele Arbeiter verurteilen die Ausschreitungen. „Wir protestieren nicht gegen die Chinesen“, sagt ein Arbeiter in einer Holzfabrik. „Wir wollen nur unser Recht.“ Hugh Williamson